Rosendorn
ich gleich wieder ins Bad würde rennen müssen.
»Ich versichere dir, dass es nichts Giftiges ist«, sagte Kimber, während sie in ihren Punsch pustete und einen großen Schluck nahm. »Und es gibt fast keine Situation, die ein guter heißer Punsch nicht noch besser machen könnte.«
Ich zögerte erst, dachte dann aber an den Angriff der Spriggans in der vergangenen Nacht, an den Blick durch das Glimmerglas an diesem Nachmittag und an die Erkenntnis, dass ich im Augenblick der einzige existierende Faeriewalker war. Und ich beschloss, dass ein Becher heißer Punsch eigentlich kein großes Problem sein konnte.
Zögerlich nahm ich einen Schluck und verbrannte mir natürlich sofort die Zunge. Die Flüssigkeit rann heiß durch meine Kehle und breitete sich in meiner Brust und meinem Bauch aus. Mit der Faust hämmerte ich gegen meinen Brustkorb.
»Süffig«, krächzte ich übertrieben.
Kimber grinste und sah Ethan dadurch nur noch ähnlicher. »Nimm noch mehr. Du wirst schon noch Gefallen daran finden.«
Ich nahm noch einen Schluck. Der Geschmack nach Whisky und Honig war so stark, dass ich halbwegs verdrängen konnte, dass ich Milch mit Haferflocken trank. Und auch wenn ich es niemals zugegeben hätte, war das Zeug definitiv warm und beruhigend und von einer üppigen, cremigen Konsistenz, bei der ich lieber nicht einmal daran
dachte,
wie viele Kalorien der Punsch hatte.
Eine Weile tranken wir in angenehmem Schweigen – Kimber machte derweil die Küche sauber, bis sie wieder so perfekt aussah, als wäre sie nie benutzt worden, und ich lehnte einfach an der Anrichte. Der Punsch brannte bei jedem Schluck weniger und weniger, und ich versuchte, mir einzureden, dass der Alkohol längst verdampft war. Zwar hatte ich noch nie mehr als einen oder zwei Schlucke von einem alkoholischen Getränk genommen, doch ich bezweifelte, dass es allein die heiße Milch war, die meine Arme und Beine so wärmte und entspannte.
»Und du hast diesen Punsch echt schon mit fünf getrunken?«, fragte ich. Sprach ich ein bisschen undeutlich, oder bildete ich mir das nur ein?
»Ich bin mir sicher, dass meine Mutter ihn erheblich schwächer gemacht hat. Und ich glaube, sie hat Wein statt Whisky benutzt. Aber ja.« Sie lächelte wieder. Na so was, das Getränk schien auch auf sie eine positive Wirkung zu haben. »Du verstehst jetzt, warum es ein Allheilmittel ist, oder?«
Mir war ganz komisch im Kopf, als ich nickte, doch es war nicht unangenehm. Der Punsch hatte den Rest meiner nervösen Übelkeit vertrieben, und ich hatte nun wirklich Hunger. Zum Glück hatte Kimber offenbar damit gerechnet, dass mein Appetit zurückkehren würde, und noch bevor ich nach etwas zu essen fragen konnte, holte sie einen Teller mit geschnittenem Obst und kleinen Sandwiches aus dem Kühlschrank.
Wir standen noch immer in der Küche und nahmen abwechselnd Köstlichkeiten von dem Teller. Ich mochte die Gurkensandwiches und die frischen Erdbeeren am liebsten und hätte vermutlich auch den ganzen Teller allein aufessen können. Allerdings war der Punsch schon ziemlich sättigend gewesen.
»Kann ich dich etwas fragen?«, wandte ich mich an Kimber, die gerade ein paar Himbeeren in den Mund steckte. Sie warf mir einen komischen Blick zu, und mir fiel wieder ihr flacher Witz ein, den sie gemacht hatte, als ich sie das letzte Mal danach gefragt hatte. Diesmal wartete ich nicht auf ihre Antwort.
Scheinbar hochkonzentriert betrachtete ich die Erdbeere in meiner Hand. »Flirtet Ethan tatsächlich mit mir, oder behandelt er alle Frauen so?« Kimbers Reaktion ließ vermuten, dass er ernsthaft flirtete, aber ich konnte mir noch immer nicht erklären, warum er sich die Mühe machte.
Kimber antwortete nicht sofort, also warf ich ihr einen verstohlenen Seitenblick zu. Sie hatte die Lippen geschürzt, und in ihren Augen stand ein unglücklicher Ausdruck, den ich nicht einordnen konnte. So viel zu den positiven Auswirkungen des heißen Punschs.
»Es ist ja auch egal, falls er es tun sollte«, versicherte ich. »Ich kann damit umgehen.« Ich sagte das mit all der Selbstsicherheit einer jungen Frau, die sich die Männer praktisch vom Leib halten musste, doch natürlich schwindelte ich. Ich hatte tatsächlich vergessen weiterzuatmen, als er mich mit diesem hungrigen Blick angesehen hatte, und auf meiner Haut spürte ich immer noch seine »Phantom-Wärme«, als er neben mir hergelaufen war.
Kimber schüttelte den Kopf und blickte mir direkt in die Augen. »Nein, damit kannst du
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