Rosendorn
gewöhnlich«, fuhr Ethan fort, »übernimmt ein Kind aus einer Mischbeziehung die … sagen wir mal ›Merkmale‹ der Mutter.«
»Vielleicht ist ›Erbe‹ ein besserer Ausdruck«, schlug Kimber vor, die ihre Kränkung offensichtlich abgeschüttelt hatte.
Ethan dachte einen Moment über den Begriff nach und nickte schließlich. »Ja, das glaube ich auch. Also ist ein Kind, das eine Fee zur Mutter hat, mehr Fee als Mensch, und ein Kind, das von einer menschlichen Mutter zur Welt gebracht wurde, eher Mensch als Fee.«
»Darum kann ein Kind, das von einer Feenmutter abstammt, nicht von Avalon in die Welt der Sterblichen wechseln und umgekehrt«, sagte Kimber.
Ethan nickte wieder. »Genau. Aber die wirklich mächtigen Feen haben auch die dominantesten Gene. Wenn also jemand wie Seamus Stuart ein Kind mit einer menschlichen Frau hat, so ist das Kind mehr Fee als das durchschnittliche Halbblut. Wenn die Umstände stimmen, kann das Kind sogar
buchstäblich
ein Halbblut sein – halb Mensch und halb Fee. Und statt nur dem Reich der Mutter anzugehören, ist dieses Kind dann Angehöriger
beider
Reiche.«
»Sie werden Faeriewalker genannt«, erklärte Kimber, »denn sie können ungehindert von Avalon nach Faerie gehen oder in die Welt der Sterblichen – wie sie es wollen.«
»Das macht sie zu sehr mächtigen Geschöpfen«, fuhr Ethan fort, und es kam mir fast so vor, als hätten die beiden diese Unterhaltung geprobt, und jeder hätte seine Sätze auswendig gelernt, damit sie zusammen die größtmögliche Wirkung erzielten. »Doch was die Faeriewalker
noch
mächtiger macht, ist die Tatsache, dass sie technische Geräte nach Faerie bringen können.«
»Und Magie in die Welt der Sterblichen«, fügte Kimber hinzu.
Ich saß da und schnappte wie ein Idiot nach Luft. Mir war ungefähr so schwindelig wie in dem Moment, als ich … Ich schreckte vor der Erinnerung an den Blick über das Geländer in die nebelverhangene Ferne zurück. Ich schluckte schwer und fand endlich meine Stimme wieder. »Heilige Scheiße!«, brachte ich hervor. Für gewöhnlich fluche ich nicht, aber wenn es einen angemessenen Augenblick gab, um damit anzufangen, dann
jetzt.
Das war weit, weit schlimmer, als ich es mir in meinen wildesten Träumen ausgemalt hätte. Und ich war in der Hoffnung nach Avalon gekommen, ein
normaleres
Leben führen zu können.
»Also, als ich da in die Ferne gesehen habe …«, begann ich, und meine Stimme klang seltsam rauh.
Ethan nickte. »Du hast etwas gesehen, das die Faeriewalker Glimmerglas nennen – das Fenster, durch das man zeitgleich in die Welt der Sterblichen und nach Faerie sehen kann. Ich habe gehört, dass es etwas … verwirrend sein soll.«
Ich brachte ein nervöses Lachen zustande, als ich mir die schweißnassen Hände an der Hose abwischte. »So kann man das auch sagen.« Ich rief mir das Schwindelgefühl und die Übelkeit ins Gedächtnis, und die Erinnerung war so stark, dass mein Magen sich auch jetzt noch umdrehte. »Wie viele von uns gibt es?«, wollte ich wissen, denn es gab keinen Grund mehr, abstreiten zu wollen, dass ich ein Faeriewalker war. Ich wünschte, ich hätte mich selbst glaubhaft davon überzeugen können, dass es Halluzinationen gewesen waren, doch ich wusste, was ich gesehen hatte.
Die Blicke, die Ethan und Kimber austauschten, spürte ich eher, als dass ich sie sah. In stillem Einvernehmen war es Ethan, der mir antwortete.
»Der letzte Faeriewalker starb vor fünfundsiebzig Jahren.«
Ich nickte scheinbar beherrscht. Und dann sprang ich auf, stieß dabei meinen Sessel um und schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer, um meine
Cheerios
auszukotzen.
[home]
10 . Kapitel
I ch blieb fast eine Stunde eingeschlossen im Bad. Kimber und Ethan versuchten, mich herauszulocken, gaben jedoch auf, als ich nicht reagierte. Sie hätten die Tür sicher irgendwie öffnen können, wenn sie es gewollt hätten, aber zum Glück für mich ließen sie mich in Ruhe.
Ich hatte meine Mom immer verachtet, weil sie so viel trank. Doch wenn in diesem Moment Alkohol in greifbarer Nähe gewesen wäre, hätte ich in der Hoffnung, dass sich dieser ganze Alptraum in Luft auflöste, selbst etwas davon versucht. Ich saß auf dem heruntergeklappten Klodeckel, hatte die Knie an die Brust gezogen, die Arme um meine Beine geschlungen, und fragte mich, ob es irgendeinen Weg gab, um mich aus diesem Schlamassel zu befreien. Tante Grace hatte gesagt, dass ich, nachdem die Leute nun über mich Bescheid
Weitere Kostenlose Bücher