Rosendorn
zu lassen.
Dad seufzte. »Dana, ich wusste, was es bedeutet, dass deine Mutter aus meinem Leben verschwunden ist, ohne mir von der Schwangerschaft zu erzählen. Ich wusste, dass es bedeutet, dass sie dich von mir fernhalten wollte. Seit wir beide zum ersten Mal miteinander gesprochen haben, wusste ich, dass das alles hinter ihrem Rücken geschieht und dass sie dich aufgehalten hätte, wenn sie dahintergekommen wäre.«
Ich musste zugeben, dass das einleuchtend klang. Aber eines wusste ich nun mit Sicherheit: Die Warnungen meiner Mutter über meinen schwierigen Platz in den politischen Strukturen Avalons waren richtig gewesen. Vielleicht wollte mein Dad wirklich nur seine Tochter treffen, von deren Existenz er bis vor kurzem keine Ahnung gehabt hatte, doch ich bezweifelte es.
»Also hat dein Wunsch, mich kennenzulernen, nichts mit deinem Bestreben zu tun, Konsul zu werden, und auch nichts mit der Tatsache, dass ich vielleicht ein Faeriewalker bin.«
Ethan und Kimber hatten in vielen Dingen gelogen, aber ich konnte an seinem Gesicht ablesen, dass sie in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hatten. Dieses Schweigen dauerte noch länger als das vorherige. Als er schließlich die Stille durchbrach, wählte er seine Worte sorgfältig.
»Ich verstehe, dass meine Position es dir schwermacht, meine Beweggründe zu glauben. Ja, ich wäre gern Konsul. Doch ich wollte dich kennenlernen, weil du meine Tochter bist, und nicht, weil du in meine politischen Zielsetzungen passt.«
Wieder war mein Hals wie zugeschnürt. Er sagte mir genau das, was ich hören wollte. Ich wollte, dass es die Wahrheit war. Ich wollte es so sehr.
Dad schürzte die Lippen. »Ich stelle dann mal eine wohlbegründete Vermutung in den Raum: Gehe ich recht in der Annahme, dass es der sogenannte
Studentische Untergrund
war, der dich entführt hat?«
Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Da ich von Ethans Handy aus angerufen habe, lag das doch wohl auf der Hand.«
Er nickte. »Stimmt. Und wie viel hat Ethan dir über sich selbst und seinen
Untergrund
erzählt?«
O Gott. Bitte sag mir, dass ich nicht noch etwas hören werde, das ich lieber nicht wissen möchte!
»Ich deute dein Schweigen so, dass du nicht besonders viel weißt«, fuhr Dad fort. »Ethan ist der Sohn von Alistair Leigh, der wiederum der wichtigste Kandidat des Winterhofes für den Posten des Konsuls ist. Selbstverständlich unterstützen Ethan und sein
Untergrund
Alistairs Kandidatur. Man kann also davon ausgehen, dass alles, was er dir über mich erzählt hat, von seinen eigenen politischen Tendenzen gefärbt ist.«
Jep, das war noch etwas, das ich lieber nicht gewusst hätte.
Also war Ethan
deshalb
so interessiert an einem nicht außergewöhnlich hübschen Halbblut-Schulmädchen gewesen. Nicht, weil er sich auf den ersten Blick Hals über Kopf in mich verliebt hatte. Schlimm genug zu denken, er hätte mich als weitere Kerbe in seinem Bettpfosten haben wollen. Aber zu denken, dass er mich ausschließlich verführt hatte, weil er bestimmte politische Absichten verfolgte, war beinahe unerträglich.
Wie ich mir wünschte, ich wäre in der vergangenen Nacht standhaft geblieben und hätte mich nicht von ihm küssen lassen. In meinem Mund hatte ich mit einem Mal einen bitteren Nachgeschmack, und in diesem Moment hasste ich Ethan. Er hatte meinen ersten Kuss ruiniert!
Ich erinnerte mich, wie energisch Kimber versucht hatte, mich davon zu überzeugen, dass Ethan nicht gut für mich war. Sie hatte mir sogar erzählt, dass er meine Macht anziehend fand. Sie hatte ihr Bestes versucht, um mich zu warnen, ohne mir allerdings genau zu erklären, wovor sie mich warnte. Was für ein Jammer, dass sie damit beschäftigt gewesen war, mir ein Messer in den Rücken zu rammen, während sie mir »geholfen« hatte.
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und war entschlossen, mich später mit meinem Schmerz auseinanderzusetzen. Ich konnte Ethan oder Kimber nicht länger vertrauen; ich hatte nie ernsthaft in Betracht gezogen, Tante Grace zu vertrauen; und selbst wenn ich mein Vertrauen in meine Mom hätte setzen wollen – sie ging nicht ans Telefon. Es gab eine Grenze, wie viel Vertrauen ich
irgendjemandem
schenken konnte, doch mein Vater, der Fremde, schien im Augenblick die beste verfügbare Lösung zu sein.
»Können wir jetzt hier verschwinden?«, fragte ich, und mit einem mitfühlenden Ausdruck in den Augen stimmte mein Dad zu.
Das
Stone’s Throw Inn
lag ziemlich weit unten am Fuße
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