Rosendorn
Ausschnitt meines T-Shirts geschoben hatte.
Ich runzelte die Stirn. Zum allerersten Mal war mir aufgefallen, dass der Anhänger warm wurde, als ich in der Zelle unter Lachlans Bäckerei gesungen hatte. Vielleicht war auch da Magie im Spiel gewesen, und ich hatte es nur nicht gewusst. Oder vielleicht sah ich auch ein Muster, wo gar keines war. Schließlich konnte ich mich nicht genau daran erinnern, ob der Anhänger über oder unter meinem T-Shirt gesteckt hatte, wenn Magie angewendet worden war und ich die Hitze trotzdem nicht gespürt hatte.
Auch wenn ich mir gerade erst überlegt hatte, dass es unwahrscheinlich war, dass Dad schon aus dem Gefängnis entlassen worden war, nahm ich das Handy und wählte seine Nummer. Immerhin konnte es nicht schaden, es zu probieren.
Er nahm nach dem dritten Klingeln ab. »Hallo?«
Ich war so überrascht, dass ich einen Moment lang nichts sagen konnte. Sollte ich tatsächlich Glück haben? Oder war die ganze Geschichte, dass man ihn ins Gefängnis gesteckt hatte, eine riesengroße Lüge gewesen? »Hi, Dad«, sagte ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
»Dana!« Der Aufschrei war so laut, dass ich den Hörer vom Ohr nehmen musste. »Wo bist du? Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!«
Ich schluckte und wünschte mir, ich könnte die Alarmglocken zum Schweigen bringen, die in meinem Kopf schrillten.
»Tante Grace hat mich in ein Verlies gesperrt«, entgegnete ich. Das war eine leichte Übertreibung. Der Raum, in den sie mich geschlossen hatte, war eigentlich ziemlich gemütlich gewesen, doch trotzdem …
Dad seufzte schwer. »Dana, Süße, es tut mir so leid. Ich hätte wissen müssen, dass sie so etwas tun würde, aber ich verschließe bei ihr vor manchen Dingen die Augen. Allerdings hätte sie dir niemals weh getan. Da bin ich mir sicher. Und ich hätte dich schon bald gefunden und da rausgeholt.«
»Tja, jemand anders ist dir zuvorgekommen, und ich muss gestehen, dass ich echt Angst habe.«
»Nach allem, was du durchgemacht hast, wäre es verwunderlich, wenn es anders wäre. Sag mir, wo du bist, und ich werde dich sofort abholen.«
Ich sehnte mich danach, einfach herauszuplatzen, wo ich war, damit mein Dad mich holen, damit er sich um mich kümmern und alles Schlechte vertreiben konnte. Doch – biologische Verbindung hin oder her – er war ein Fremder, und ich wollte ein paar Antworten, ehe ich mich kopfüber in seine Arme stürzte. »Tante Grace hat mir erzählt, dass du im Gefängnis warst.« Ich bemühte mich, es nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen.
»Ich fürchte, das stimmt«, gab er zu. »Ich nehme an, dass Grace das eingefädelt hat, um vor mir an dich heranzukommen.«
Mit einem Mal spürte ich einen Kloß im Hals, denn mein Instinkt – oder war es mein Zynismus? – sagte mir, dass mir die Antwort auf die nächste Frage nicht gefallen würde. »Wann bist du entlassen worden?«
»Gestern erst«, erwiderte er, und obwohl ich die Antwort erwartet hatte, gaben meine Knie nach, und ich sank auf die Bettkante. »Ich habe nach dir gesucht, seit ich freigekommen bin«, fuhr Dad fort. »Grace hat gesagt, Lachlan wäre angegriffen und du gekidnappt worden. Ich wusste, dass es ein bisschen Wirbel verursachen würde, dich hierherzuholen. Aber ich hätte nie mit so etwas gerechnet. Es tut mir so leid.«
Gestern hatte ich Kimber ein Geheimnis anvertraut, das ich noch nie jemandem erzählt hatte. Ich hatte mir tatsächlich erlaubt, ihr zu
vertrauen.
Und die ganze Zeit hatte sie mich angelogen, hatte so getan, als wäre sie meine Freundin, um mich von meinem Vater fernzuhalten. Die Erkenntnis tat so weh. Trotz meiner gewohnten Vorsicht war ich voll auf sie hereingefallen.
»Ja, das ist so ziemlich das, was passiert ist«, sagte ich, und in meiner Stimme konnte man die Tränen hören, die ich nicht vergießen wollte.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte er und klang genau so, wie ein besorgter Vater klingen sollte. War seine Sorge auch gespielt? Würde irgendjemand in Avalon mir mal über irgendetwas die Wahrheit sagen?
»Mir geht es gut«, log ich.
Dad zögerte. Jeder Idiot hätte am Klang meiner Stimme erkennen können, dass es mir alles andere als gutging, doch ich war noch nicht so weit, jetzt darüber zu reden. Vielleicht würde ich es nie sein. Glücklicherweise ging er nicht weiter darauf ein.
»Sag mir, wo du bist, damit ich dich abholen kann«, sagte er. »Wir können uns dann von Angesicht zu Angesicht
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