Rosendorn
können wir uns anschließend etwas besser kennenlernen.«
»Das wäre toll«, erwiderte ich und bemühte mich, putzmunter zu klingen, auch wenn ich nervös und unsicher war.
»Fühl dich wie zu Hause«, sagte Dad und wies auf eine Tür, hinter der ich zuerst den Garderobenschrank vermutet hatte, die jedoch zu einem weiteren Treppenflur führte. Vermutlich brauchten Feen keine Garderobenschränke, weil sie sowieso nicht oft Mäntel tragen mussten.
Als ich den Fuß auf die erste Stufe gesetzt hatte, blieb ich stehen und blickte über die Schulter zu meinem Vater zurück. »Du wirst mich doch nicht einschließen, oder?«
Der Vorschlag schien ihn zu schockieren. »Natürlich nicht! Du bist meine Tochter, nicht meine Gefangene. Und ich bin nicht deine Tante Grace.«
Das wollte ich auch hoffen. Ich nickte und ging die Treppe hinauf, obwohl ich zugeben musste, dass ich ziemlich angespannt war. Als ich in den dritten Stock kam (oder den vierten Stock, je nachdem, wie man es sehen wollte), sah ich, dass das Gästezimmer ungefähr so einladend war wie das Wohnzimmer. Spärlich möbliert und alles im schlichten Stil des dänischen Designs gehalten. Und statt eines bequemen Bettes gab es einen harten Futon.
Doch als ich meinen Koffer und meinen Rucksack ordentlich aufgestellt in der Ecke stehen sah, gefiel mir das Zimmer schon erheblich besser.
Noch nie war ich so froh gewesen, meine eigenen Klamotten zu sehen. Ich öffnete den Koffer und schnappte mir meine Lieblingscargohose und ein schweres Sweatshirt, das der Kälte eines Frühsommertages in Avalon hoffentlich standhalten konnte. Außerdem musste ich unbedingt meine Unterwäsche wechseln, da die Sachen, die ich trug, nach der gestrigen Wäsche im Waschbecken noch leicht feucht waren.
Ich war noch immer etwas misstrauisch und durcheinander, also ließ ich die Tür zum Schlafzimmer offen, weil ich Angst hatte, trotz Dads Versprechen doch eingeschlossen zu werden, wenn ich sie zumachte. Die Badezimmertür lehnte ich an, während ich mich hastig umzog. Unentwegt lauschte ich auf das furchtbare Klicken des Schlosses, aber zum Glück blieb es aus.
Als ich mich umgezogen hatte, bürstete ich mein Haar, band es zu einem Pferdeschwanz zusammen und trug noch etwas klaren Lipgloss auf. Noch ein wenig Rouge auf die Wangen, und ich sah fast wieder wie ich selbst aus – bis auf den gehetzten Ausdruck in meinen Augen.
Na ja, ich hatte schließlich jedes Recht, gehetzt zu wirken.
In meinen eigenen Klamotten fühlte ich mich gleich viel wohler und ging die Treppe hinunter, um meinem Dad wieder gegenüberzutreten.
Er saß auf dem Sofa, von dem aus man zum Glück einen riesigen Plasmafernseher sehen konnte und nicht den Panoramablick. Ein Eiskübel auf Beinen stand an der Seite, und ich entdeckte ein Paar Champagnerflöten auf dem Couchtisch. Man sah mir meine Überraschung offenbar deutlich an, denn Dad beantwortete meine unausgesprochene Frage.
»Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein Mann seine eigene Tochter kennenlernt«, sagte er. »Eine kleine Feier ist angemessen, findest du nicht?«
»Äh, ich bin erst sechzehn.« Die Ausrede hatte schon bei Kimber und ihrem heißen Punsch nicht gezogen, und auch bei Dad stieß ich damit auf taube Ohren.
»Ich verspreche dir, dass wir nicht von der Alkohol-Polizei verhaftet werden, weil du zu jung bist. Komm und setz dich zu mir. Wir haben einiges zu besprechen.«
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Lust, über
irgendetwas
zu reden. Ich wollte einen Moment lang einfach mal so tun, als wäre die Reise wie geplant gelaufen, als wäre ich direkt vom Flughafen gekommen und als wäre das hier der Beginn eines besseren Lebens.
Ich nahm am anderen Ende des Sofas Platz, während Dad die Champagnerflasche öffnete. Ich war angespannt und auf das laute »Plopp« des Korkens gefasst, doch trotzdem zuckte ich zusammen. Lachfältchen bildeten sich um Dads Augen, aber er lachte mich nicht aus.
Er füllte zwei Gläser und reichte mir meines, das ich skeptisch betrachtete. Die Milch, der Honig und die Muskatnuss hatten den Whisky-Geschmack von Kimbers heißem Punsch ein bisschen abgemildert, doch das hier war purer Champagner. Ich weiß, dass eine Menge Kids in meinem Alter begeistert gewesen wären, etwas Alkoholisches trinken zu dürfen. Aber diese Kids hatten auch nicht mit meiner Mom zusammengelebt.
»Trink aus, meine liebe Tochter«, sagte Dad.
Dass ich erst einen Schluck nehmen konnte, nachdem ich Dad den Champagner hatte trinken sehen,
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