Rosendorn
auf.
Als ich nach unten ging, um zu frühstücken, und feststellte, dass mein Vater bereits gegangen war, sah Finn schon fast wieder normal aus. Sogar die Schatten der Blutergüsse waren aus seinem Gesicht verschwunden, und er bewegte sich nicht mehr wie ein Mann, der Schmerzen hatte. Ich war froh, dass der Heilungsprozess bei Feen so schnell ablief. Das half mir, mich etwas weniger schuldig für das zu fühlen, was ihm am Tag zuvor zugestoßen war.
Ich musste zweimal hinsehen, als ich den Fremden bemerkte, der neben Finn auf dem Sofa hockte. Er musste irgendwie mit meinem Beschützer verwandt sein, denn die beiden hatten dieselben erstaunlich grünen Augen. Doch damit endete die Ähnlichkeit auch schon. Während Finns Haar goldblond war, hatte der Fremde sich die Haare pechschwarz gefärbt, und während Finn wie ein
Mack-
Truck gebaut war, war der Fremde schlank und drahtig. Er war außerdem sehr viel jünger als Finn und hatte auch nicht dessen konservativen Kleidungsgeschmack. Ein verschossenes schwarzes T-Shirt schmiegte sich an seinen Oberkörper, und seine Beine steckten in einer engen schwarzen Jeans. Ungeschnürte schwarze Kampfstiefel schauten unter der Hose hervor, und die kurzen Ärmel seines T-Shirts gaben den Blick frei auf ein keltisches Armband-Tattoo auf seinem Bizeps. Um das Bild abzurunden, hatte er noch ungefähr fünfzig Ringe in seinem linken Ohr, und seine Haare fielen ihm über die Brauen bis fast in die Augen.
Ich war nie ein großer Fan der Bad Boys gewesen, die ich in der Schule getroffen hatte. Sie waren eingebildet und glaubten, es wäre cool, sich wie ein Arsch zu benehmen. Wie auch immer – aus der Ferne betrachtet waren sie sicher schön anzusehen. Und ein Bad Boy aus dem
Feenvolk …
Bei dem durfte einem schon mal das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Finn lächelte mich an, als ich in der Tür stand und die beiden anstarrte. »Dein Vater hat den Unterricht in Selbstverteidigung erlaubt«, sagte er. »Das ist Keane.« Er wies auf den großen, düsteren, missmutigen Typ. »Er wird mit dir trainieren.«
Keane blieb unbewegt auf dem Sofa sitzen, und der Blick, den er mir zuwarf, war … unfreundlich.
Finns Lächeln wurde noch breiter. Offensichtlich hatte er Spaß. »Wenn du über seine Haltung und Launen hinwegsehen kannst«, sagte er, »ist Keane eigentlich ein exzellenter Lehrer.«
Keane starrte an die Decke, als würde er um Kraft beten. Irgendwie schien er nicht besonders begeistert von diesem Job zu sein. Na toll!
»Oh, hör auf zu schmollen«, wandte Finn sich ihm zu, doch in seiner Stimme schwang Zuneigung mit. »Ihr ein paar Grundlagen der Selbstverteidigung beizubringen wird dich schon nicht zu einem angepassten Ritter-Klon wie mich machen.«
Keane knurrte, was Finn unbeeindruckt ließ.
»Seid ihr verwandt?«, fragte ich, obwohl ich selbst schon herausgefunden hatte, dass sie es sein mussten. Es waren nicht nur die Augen, auch wenn ich es nicht benennen konnte.
Finn nickte. »Keane ist mein Sohn.«
»Oh. Ich wusste nicht, dass du verheiratet bist«, platzte ich heraus. Noch bevor Finn mit dem Kopf schüttelte, wollte ich mich selbst für diese naive Bemerkung treten.
»Ritter heiraten nicht«, sagte Keane, ehe Finn die Chance hatte, sich zu erklären.
»Es ist üblich, dass Ritter allein bleiben«, bestätigte Finn. »Unsere Treue soll nur denjenigen gelten, denen wir dienen. Und selbstverständlich ist es auch üblich, dass Ritter ihre Kinder nicht selbst erziehen.« Er warf Keane einen vielsagenden Blick zu.
Keane rollte mit den Augen. »Du bist einfach
unzuverlässig.
«
Finn schien es nichts auszumachen, dass sein Sohn ihm Widerworte gab. Er lächelte, und ich hätte schwören können, dass er ehrlich belustigt war. »Keane war nie besonders angetan von der Institution der Ritterschaft. Er hat mit der Familientradition gebrochen und es abgelehnt, die Ausbildung zum Ritter zu machen. Ich glaube, er fürchtet, dass der Stand irgendwie ansteckend sein könnte, und wenn er nach einem Grundsatz arbeitet, den ich angeheuert bin zu erhalten, wird er irgendwie …«
»Lass das«, brummte Keane, und obwohl er so tat, als wäre er ein tougher Typ, wirkte er verlegen. Offensichtlich hatte er ein Problem mit der Vorstellung, mit mir zu trainieren, doch ich hatte keine Ahnung, was das sein konnte. Vielleicht missfiel ihm nur der Gedanke, mit einem Mädchen kämpfen zu müssen?
Keane erhob sich, schob die Hände in die Hosentaschen und erwiderte kaum meinen Blick.
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