Rosendorn
Mir fiel wieder ein, dass Finn mir gesagt hatte, die Einstellung meines Lehrers würde mich dazu bringen, gewalttätig sein zu können – und allmählich begann ich zu verstehen, was er damit gemeint hatte. Ich würde dieses Verhalten schon sehr bald sehr satt haben.
»Lass uns gehen«, sagte er knapp und begab sich Richtung Eingangstür.
Ich rührte mich nicht. »Wohin?«, wollte ich wissen.
Keane zog die Hände aus den Taschen, verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich finster an. »Ich bin der Lehrer, du bist die Schülerin. Du tust, was ich sage. Keine Fragen.«
O Mann, was für ein Arschloch. Was mich betraf, sollten Bad Boys gesehen, nicht gehört werden. Hinter mir unterdrückte Finn mühsam ein Lachen.
Ich wusste, dass Keane mich mit seinem mürrischen Blick einschüchtern wollte, doch nach angreifenden Spriggans und den mordlustigen Königinnen von Faerie jagte mir auch das intensivste Anstarren keine Angst mehr ein. Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu und erwiderte seinen Blick ebenso zornig.
»Ich weiß nicht, was dein Problem ist«, sagte ich und bohrte meinen Zeigefinger in seine Brust. »Aber …«
Es passierte so schnell, dass ich kaum merkte, wie er sich bewegte. Gerade noch stieß ich meinen Finger in seine Brust, im nächsten lag ich schon mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, den einen Arm auf den Rücken gedreht und Keane, der mich mit seinem Gewicht auf den Teppich presste, auf mir. Irgendwie war es ihm gelungen, mir bei der Aktion nicht weh zu tun, doch vor Schreck war ich benommen und atemlos.
»Mein Problem«, zischte er mir ins Ohr, »ist, dass ich die Klientel nicht mag, an die mein Vater sich verkauft.«
Okay, »Arschloch« war ein noch zu freundlicher Begriff für ihn. Ich versuchte, mich ein bisschen zu winden, aber er schob daraufhin meinen Arm nur noch höher, bis es schmerzte. Ich keuchte auf, und er ließ nach.
»Wenn du den Mumm hättest«, flüsterte er mir weiter ins Ohr, »könntest du mich jederzeit von dir runterwerfen. Allerdings schaffst du das nicht, indem du dich so halbherzig herumwindest.«
Ich hob meinen Kopf so weit, wie ich es in meiner Lage konnte, und blickte zu Finn. Der sah aus dem Fenster und tat so, als würde er nicht merken, was sich direkt vor seiner Nase abspielte. Das bedeutete wahrscheinlich, dass er nicht zu meiner Rettung eilen würde.
»Komm schon, Dana«, sagte Keane etwas lauter, doch immer noch in mein Ohr. »Denk darüber nach, welche Körperteile du in dieser Position noch bewegen kannst. Womit kannst du mich erreichen?«
»Also ist das alles schon Teil des Unterrichts?«, wollte ich wissen. Aber offenbar meinte er den Part mit »keine Fragen« ernst, denn er schob meinen Arm wieder ein Stückchen höher. »Aua!«, protestierte ich, doch dieses Mal gab er nicht nach.
»Konzentriere dich«, entgegnete er. »Welchen Körperteil kannst du noch bewegen?«
Mir gefiel es überhaupt nicht nachzugeben, aber mein Arm fing allmählich an zu pochen. Ich würde Keane also bei Laune halten und seinen Größenwahn ertragen, bis ich frei war. Und dann würde ich Finn gehörig die Meinung sagen, weil er mir diesen Psycho auf den Hals gehetzt hatte.
Ich wand mich wieder ein bisschen und bemühte mich herauszufinden, wie ich mich rühren konnte, doch ich stellte schnell fest, dass es kaum Bewegungsfreiheit gab. Keane war vielleicht nicht so massig wie Finn, aber er war auch nicht gerade ein Leichtgewicht. Das Einzige, was ich noch anheben konnte, war mein Kopf.
»Also soll ich dir einen Kopfstoß verpassen?«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Wenn das alles ist, was du noch bewegen kannst, ist das die einzige Waffe, die du hast.«
Ich hatte eigentlich gehofft, dass er mich gehen lassen würde, wenn ich ihm die Antwort gab, die er hören wollte, doch das tat er nicht. »Und?«, hakte ich nach. »Kann ich jetzt aufstehen?«
»Ich denke, das dürfte dir schwerfallen, solange ich noch auf dir hocke«, erwiderte er trocken.
»Du meinst, du willst tatsächlich, dass ich dir eine Kopfnuss verpasse?«, fragte ich ungläubig.
»Solange du nicht den Rest des Tages den Teppich aus nächster Nähe betrachten willst.«
Ich zögerte. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich jemandem absichtlich weh getan – selbst als ich Ethan in die Weichteile getreten hatte, hatte ich es offensichtlich nicht heftig genug getan, um ihn mehr als eine Sekunde zu bremsen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich
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