Rosendorn
Bannsprüche und mit Finn an meiner Seite bin ich so sicher, als wäre ich in Watte gepackt. Mach dir bitte keine Sorgen.«
Ich zuckte zusammen, als ich Moms herzzerreißendes Schluchzen hörte. Normalerweise haben ihre Tränen kaum noch Wirkung auf mich. Doch es ließ sich nicht bestreiten, dass sie einen berechtigten Grund hatte, außer sich zu sein. Schlimmer noch – mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können, damit es ihr besserging. Das Wissen, dass beide Königinnen von Faerie auf der Liste meiner Feinde standen, würde sie vermutlich komplett verrückt machen.
»Seamus wird so gegen fünf nach Hause kommen«, erklärte Finn. »Kommen Sie dann wieder her, damit er die Verteidigungszauber erneuern kann, sobald er Sie hereingelassen hat. Warum ruhen Sie sich in der Zwischenzeit nicht etwas aus?«
Mom antwortete nicht, sondern schluchzte nur weiter.
»Mom, mir geht es wirklich gut«, sagte ich in meinem überzeugendsten Tonfall. »Warum gehst du nicht zurück in dein Hotel und rufst mich an, damit wir ein bisschen reden können, bevor Dad nach Hause kommt?«
Wenn sich diese Szene zu Hause abgespielt und meine Mom auf der Türschwelle gesessen, geheult oder ein sonst wie öffentliches Drama veranstaltet hätte, wäre ich vor Scham wohl am liebsten im Boden versunken. Aber mein kurzer Aufenthalt in Avalon hatte mich bereits verändert. Von allen Problemen, die es momentan in meinem Leben gab, rangierte das Gefühl, mich für meine Mutter schämen zu müssen, ungefähr auf Platz fünf Millionen und eins.
»Bitte, Mom«, fuhr ich in derselben Tonlage fort, obwohl es eher so klang, als würde ich mit einem verängstigten Kind sprechen als mit meiner Mutter. »Du bist hier, ich bin in Sicherheit, und ich möchte mit dir reden. Bitte, reiß dich ein bisschen zusammen und ruf mich an. Es ist so viel passiert, seit ich hier angekommen bin …«
Ich war irgendwie froh, dass Finn da war – groß und stark und unbeeindruckt von Moms hysterischem Anfall. Wenn ich allein gewesen wäre, dann wäre ich wahrscheinlich schwach geworden und hätte die Tür geöffnet und damit Dads Schutzzauber gebrochen. Vielleicht wäre ja alles gutgegangen, und es wäre sicher gewesen. Doch ich wollte nicht Moms Leben und meines riskieren, indem ich es ausprobierte.
Irgendwann hatte sie genug geweint. Jedenfalls für den Moment.
»Ich warte hier, bis Seamus nach Hause kommt«, schniefte sie zwischen ihren Schluchzern, und ich konnte mir ein Augenrollen nicht verkneifen. Zum Glück konnte sie mich nicht sehen.
»Was soll das bringen?«, fragte ich und hoffte, dass sie noch zu einigermaßen logischem Denken fähig war.
»Wir können doch auch hier reden.«
Offensichtlich bedurfte es noch eines Schusses Logik – ich musste deutlicher werden. »Wenn wir hier reden, werden wir ganz heiser, weil wir durch die Tür schreien müssen. Außerdem haben wir dann Publikum. Geh zurück in dein Hotel und ruf mich an. Ich werde dir alles erzählen, was in der Zwischenzeit passiert ist.« Als ich das sagte, kreuzte ich die Finger hinter dem Rücken, denn ich wusste, dass ich einige Details würde weglassen müssen, damit Mom nicht total ausflippte. »Später, wenn Dad wieder zu Hause ist, kannst du hierherkommen, und dann können wir uns sehen.« Das versprach eine fröhliche kleine Familienzusammenführung zu werden …
»Okay?«, hakte ich nach, als sie eine Weile nichts darauf erwidert hatte.
Sie schniefte wieder. »Ich hasse den Gedanken, dich auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, nachdem ich dich endlich gefunden habe.«
»Ich gehe nirgends hin. Das verspreche ich.«
Wieder entstand eine quälend lange Pause. Dann seufzte sie abgrundtief.
»Also gut. Ich werde ins Hotel zurückgehen. Sobald ich da bin, rufe ich dich an.«
»Ich werde da sein«, versicherte ich noch einmal.
Mein Gehör war nicht magisch verstärkt, deshalb konnte ich nur an Finns deutlich entspannterer Körperhaltung erkennen, dass meine Mom sich schließlich entfernt hatte.
»Tut mir leid, dass ich dich getreten habe«, sagte ich zu ihm, als mir klarwurde, dass das total übertrieben und gemein von mir gewesen war.
Finn warf mir einen komischen Blick zu. »Mit Schwertern durchbohrt, angeschossen etcetera, etcetera. Schon vergessen?«
Ich hörte ein verächtliches Schnauben und drehte mich um. Keane lehnte in der Tür am Treppenabsatz und sah mit Geringschätzung zu mir herunter.
»Der Tritt hätte nicht einmal einen Fünfjährigen verjagt –
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