Rosenherz-berbKopie
Stilett
umgebracht wurde. Bei der Obduktion stellte man aber fest, dass
ihr die Wunden wohl mit zwei verschiedenen Waffen beigebracht
wurden. Entweder waren es zwei unterschiedliche, nicht allzu lange
Messer oder, halten Sie sich fest: ein großes Pfeifenbesteck.»
Marthaler
verzog das Gesicht.
«Ihr
Verlobter, ein junger Typ, war Pfeifenraucher. Natürlich hat
man ihn in die Mangel genommen; aber seine Eltern haben ihm ein
Alibi gegeben. Außerdem sagte er aus, dass er Stanwell
verabscheue.»
«Stanwell?»
«Ja,
das war die Tabaksorte, von der man Reste in einem Aschenbecher im
Schlafzimmer der Rosenherz gefunden hat. Erinnern Sie sich? Dinge braucht der Mann ...>»
Marthaler
lachte. « Doch, ich erinnere
mich. Es war ein Werbespot mit Hans-Joachim Kulenkampff.»
«Genau!
Derselbe Kulenkampff, der sich später ziemlichen Ärger
eingehandelt hat, als er über einen christdemokratisehen
Politiker sagte, dieser sei ein schlimmerer Hetzer als Goebbels.»
«Manchmal
muss man den Mut haben, sich Ärger einzuhandeln», sagte
Marthaler.
Grüter
hob die Brauen, sagte aber nichts.
«Gab
es Verdächtige im Fall Rosenherz? Hatte man eine heiße Spur?»
Der
Reporter zuckte mit den Schultern. «Soviel ich weiß, nicht. In die
Akten hat man mich nicht schauen lassen, schließlich handelte
es sich um einen ungeklärten Mord. Immerhin gab es das Phantombild
eines unbekannten Mannes, von dem man annahm, dass er ihr letzter
Freier und wohl auch ihr Mörder gewesen ist.»
«Das
heißt aber doch, dass man Zeugen hatte, die diesen Mann gesehen
haben.»
«Ja,
es gab einen Kellner und einen Taxifahrer, die eine Aussage gemacht
haben. Der eine will gesehen haben, wie dieser Mann in der Tatnacht
an der Konstablerwache in ihr Auto gestiegen ist. Der andere hat ihn
dann in der Nähe des Bahnhofs auf dem Beifahrersitz des Wagens
bemerkt.»
«Aber
ausfindig gemacht worden ist dieser Mann nicht?»
«Einer
der Polizisten, die damals dabei waren, hat mir gegenüber ein
wenig aus dem Nähkästchen geplaudert. Er sagte, einen Tag nachdem
das Phantombild veröffentlicht wurde, sei die Hölle über die
Ermittler hereingebrochen. Plötzlich habe es Hunderte von Hinweisen
aus ganz Deutschland gegeben. Sogar in den Nachbarländern gab es
Zeugen, die meinten, den Mann zu kennen.»
Marthaler
nickte. «So ist es heute noch», sagte er. «Genau deshalb versucht
man, so lange es geht, ohne ein Phantombild auszukommen. Man
grast das Umfeld der Opfer ab, weil dort in den allermeisten Fällen
der Tater zu finden ist. Aber wenn man nicht weiterkommt, muss man
sich auf das schlechte Gedächtnis möglicher Zeugen verlassen. Dann
wird ein subjektives Porträt erstellt, von dem niemand weiß, was
es taugt. Plötzlich ist alles auf dieses Bild fokussiert. Und wenn
es dann veröffentlicht wird, explodieren die Ermittlungen.
Hatte man vorher fünf, sechs, vielleicht auch zehn Spuren, so
sind es jetzt Hunderte. Und all diesen Spuren muss man nachgehen.
Das heißt, nach der Veröffentlichung eines Phantombildes müsste
die Zahl der Kollegen, die an einem Fall arbeiten, eigentlich
verzehnfacht werden. Was natürlich nie geschieht.»
«Ja»,
sagte Grüter. «Echt ein harter Job. Sie haben mein ganzes
Mitleid.»
«Was
soll das?», blaffte Marthaler. «Wir können das Ganze auch
beenden.»
«Hey,
cool down!», sagte Grüter und hob beide Hände. «Es war nur ein
Scherz. Machen Sie weiter!»
Marthaler
warf Grüter einen strafenden Blick zu, dann fuhr er fort: «Man
ackert Tag und Nacht. Man ertrinkt in einem Meer falscher Hinweise.
Man schlägt sich mit gelangweilten Rentnern und eitlen
Wichtigtuern herum. Ich kann mich aus meiner Laufbahn an keinen
einzigen Fall erinnern, der aufgrund der Veröffentlichung eines
Phantombildes gelöst worden wäre. Es ist ein Strohhalm, mit dem
man meistens untergeht. Anstatt weiterzuschwimmen, klammert man sich
daran und ertrinkt. So könnte es in der Mordsache Rosenherz auch
gewesen sein. Vielleicht war man dem Tater schon ganz nah,
stattdessen hat man alle Kräfte gebündelt und nur noch nach dem
großen Unbekannten auf dem Bild gesucht.»
«Jedenfalls
hat man den Mann nie gefunden», sagte Grüter. «Irgendwann
wurde die Akte geschlossen. Alle paar Jahre haben ein paar Ihrer
Kollegen nochmal einen Blick auf die Sache geworfen. Herausgekommen
ist dabei nie etwas.»
«Ich
frage mich nur», sagte Marthaler, «warum der kleine Bruno den
Namen Rosenherz auf diesen Zettel geschrieben hat. Was
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