Rosenherz-berbKopie
zehn
Minuten.»
Der
Schmerz traf ihn unerwartet und mit voller Wucht. Als er den Park
betrat, wurden die Erinnerungen an Tereza wach.
Hier
hatten sie, auf einer Bank sitzend oder auf einer Decke
liegend, unter den alten, großen Bäumen einige Sommernachmittage
verbracht. Manchmal hatte Tereza vor dem Weißen Haus mit einem
Picknickkorb auf ihn gewartet, und sie waren gemeinsam die paar
Schritte bis zum Park gelaufen, hatten sich einen Platz auf der
Wese gesucht, wo sie ihren Nudelsalat aßen und eine Flasche Cidre
tranken. Einmal, es war zu Beginn dieses Frühjahrs gewesen,
waren sie zu den Boule-Spielern gegangen und hatten gefragt, ob sie
eine Runde mitspielen durften. Aus der einen Runde waren viele
geworden, immer wieder waren neue Getränke herbeigeschafft
worden, und als sie Stunden später nach Hause fahren wollten,
hatten sie gemerkt, dass sie beide zu beschwipst waren, um sich noch
ans Steuer zu setzen. Sie waren zurück ins Weiße Haus gegangen, wo
sie eng aneinandergedrückt auf der roten Besuchercouch geschlafen
hatten und am nächsten Morgen von Elvira überrascht worden waren.
Eine
Zeitlang war Marthaler hier regelmäßig seine Runden gelaufen. Vor
einigen Jahren, an einem kalten Wintermorgen, hatte Tereza
plötzlich vor ihm gestanden. Wegen ihres dicken Mantels und der
Pelzmütze hatte er sie nicht sofort erkannt. Sie war gerade erst
aus Madrid zurückgekommen, und er hatte vergessen, sie vom
Flughafen abzuholen. Er erinnerte sich, wie verwirrt und
beschämt er gewesen war, als sie ihn mit traurigen Augen angeschaut
hatte. Dann hatten sie sich zum ersten Mal ihre Liebe gestanden.
Marthaler
sog den Geruch des frisch gemähten Rasens ein.
Überall
auf den Wiesen lagen Leute in der Sonne. Es wurde Federball
gespielt, Kinder flitzten mit ihren Fahrrädern über die Wege, und
ein dünner Mann mit langen Haaren machte zwischen zwei Bäumen
seine Yoga-Übungen. Rund um den Brunnen mit seinen wasserspeienden
Figuren lagerten Mütter, die ihre planschenden Kleinen
beaufsichtigten. Unter dem hölzernen Pilz hatte sich eine Gruppe
Jugendlicher versammelt. Sie hörten Musik aus einem
Ghettoblaster. Zwei Mädchen mit nabelfreien Tops hielten sich an
den Händen und stießen im Tanz ihre Hüften gegeneinander.
Marthaler hörte noch ihr Kichern, als er längst an ihnen vorbei
war.
Alles
schien erfüllt von Glück und Leichtigkeit.
Umso
dunkler wurden seine Gedanken. Die Sorge um Tereza wog so schwer,
dass er kurz das Gefühl hatte, keinen Schritt mehr weitergehen zu
können. Für einen Moment kam er sich vor wie ein uralter Mann,
dessen Zukunft nur noch Finsternis war, dem das Leben nichts mehr zu
bieten hatte außer Schmerz, Verzweiflung und Einsamkeit.
Arne
Grüter saß auf einem der Stühle vor dem Cafe und sah Marthaler
an. Vor sich auf dem Tisch hatte er ein Glas Weizenbier stehen, das
bereits zur Hälfte geleert war. Er drückte seine Zigarette aus und
schüttelte eine neue aus der Packung.
«Mein
Gott, Marthaler, was ist denn mit Ihnen los? Sie sehen aus, als
wären Sie gerade dem Totengräber von der Schippe gehüpft.»
Marthaler
bedachte Grüter mit einem vernichtenden Blick. Der Reporter schien
zu merken, wie unpassend seine Bemerkung gewesen war. «Oh, sorry.
Das ist mir nur so rausgerutscht. Haben Sie Nachrichten aus der
Klinik?»
Marthaler
schüttelte den Kopf. Er hatte Mühe, seine Tränen
zurückzuhalten. Er wollte sich vor Grüter keine Blöße geben,
dennoch war seine Erschütterung nicht zu übersehen.
«Also,
was ist?», fragte Grüter. «Wollen wir das Ganze um einen Tag
verschieben?»
«Nein»,
sagte Marthaler. «Aber vermeiden Sie gefälligst Ihre Witze!
Schlucken Sie alle lockeren Sprüche, die Sie auf der Zunge haben,
wieder runter. Ich bin nicht in der Verfassung ...»
Grüter
war aufgestanden. «Gut!», sagte er. «Nehmen Sie Platz! Ich hole
Ihnen was zu trinken. Die nächste Runde können Sie ja dann
bezahlen ... ich meine, weil Sie von mir ja nichts annehmen wollen.»
«So
machen wir es», sagte Marthaler. «Bringen Sie mir eine große
Apfelsaftschorle.»
Grüter
hatte seine Zigaretten auf dem Tisch liegen lassen. Marthaler nahm
sich eine aus der Packung und steckte sie an.
«Sie
rauchen?», fragte der Reporter, als er zurückkam. Er stellte das
Glas vor Marthaler ab.
«Nein,
ich paffe! Sagen Sie mir, was Sie über Rosenherz wissen.»
Über
Grüters Gesicht huschte ein ironisches Lächeln. Dann schien er
sich eines Besseren zu besinnen und wurde ernst. «An den
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