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Rosenherz-berbKopie

Titel: Rosenherz-berbKopie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Hälfte mit den
Scheiben einer Salatgurke, würzte diese mit Pfeffer und Salz, ging
zur Fensterbank, wo der Topf mit Schnittlauch stand, rupfte ein
Paar Halme ab und legte sie darüber.
    Anna
Buchwald war vierundzwanzig Jahre alt und konnte sich noch immer
nicht daran gewöhnen, dass man eine gewöhnliche Semmel hier
Rundstück nannte. Als sie das erste Mal in Hamburg eine Bäckerei
betreten hatte, man ihr drei «Grundstücke» anbot und sie auch
nach der dritten Nachfrage nicht kapiert hatte, worum es sich
handelte, war sie unverrichteter Dinge wieder gegangen. Genauso
wenig hatte sie das Gelächter ihrer Mitstudenten verstanden, als
sie an einem schönen Sommertag vorgeschlagen hatte, nach dem
Seminar noch irgendwo «auf den Keller» zu gehen, um ein
«Ungespundenes» zu trinken.

    Anna
Buchwald und ihre beiden Brüder waren am 5. März 1981 in der
Frauenklinik Bamberg durch einen Kaiserschnitt zur Welt gekommen.
Drei Monate später fand der Vater der Drillinge einen Zettel seiner
Frau: «Es tut mir leid, aber ich schaff das nicht. Such nicht nach
mir! Birgit». Der Realschullehrer beschloss, mit den drei
Kindern zurück in sein Heimatdorf zu ziehen, das nur zehn
Kilometer entfernt lag, wo die Mieten billiger waren und wo seine
Verwandten wohnten, die ihm bei der Betreuung der Kleinen helfen
konnten. Anders als ihre Brüder fragte Anna immer wieder nach ihrer
Mutter. Ihr Vater hatte nichts mehr von seiner Frau gehört und
hielt sich an deren Wunsch, nicht nachzuforschen. Seinen Kindern
gegenüber verlor Holger Buchwald nie ein böses Wort über Birgit.
Während Anna aus ihrer Enttäuschung und später aus ihrer
wachsenden Wut keinen Hehl machte, sagte ihr Vater immer denselben
Satz: «Eure Mutter hat es auch nicht leicht gehabt.» Wenn Anna
mehr wissen wollte, versteckte er sich dahinter, Birgit «ja so gut
nun auch nicht gekannt» zu haben, schließlich seien sie einander
erst ein knappes Jahr vor der Niederkunft zum ersten Mal begegnet.
Sehr verschieden seien sie gewesen - er, der strebsame junge Lehrer,
und sie, diese wilde Streunerin, die ihren Lebensunterhalt bestritt,
indem sie in den Kneipen der Bamberger Altstadt arbeitete, und die
kaum je über ihre Vergangenheit sprach. Schon nachdem sie das
erste Mal miteinander geschlafen hatten, sei sie schwanger geworden.
«Volltreffer» habe sie gesagt, nachdem ihr der Arzt mitgeteilt
hatte, dass er nicht nur zwei, sondern drei unterschiedliche
Herztöne gehört habe. Sie hätten eine Nacht lang geredet und dann
beschlossen, es miteinander zu versuchen. «Ich hatte mich in sie
verliebt, und sie hat wohl gehofft, durch mich ein wenig Ruhe in ihr
unstetes Leben zu bringen», sagte Holger.
    Was
ihr Vater doch für ein guter Kerl sei - dieser Satz begleitete
Anna während ihrer gesamten Kindheit und Jugend. Und bald schon
mochte sie ihn nicht mehr hören. Alle sagten es, die Verwandten,
die Leute im Dorf, ihre Freundinnen und Freunde. Sie hatte nie
darüber nachgedacht. Ihr Vater war derjenige, der immer da war. Und
er war, wie er war. Manchmal ging ihr seine Geduld, seine
unerschütterliche Ausgeglichenheit auf die Nerven, dann versuchte
sie ihn zu provozieren. Manchmal wachte sie nachts schreiend auf,
weil sie geträumt hatte, auch er sei verschwunden. Dann kam er an
ihr Bett und tröstete sie.
    Anna
galt als intelligent, gewitzt und ziemlich eigensinnig. Seit der
fünften Klasse besuchte sie das Bamberger E.T.A.
Hoffmann-Gymnasium, aber ihre schulischen Leistungen schwankten
erheblich. Wenn sie nicht einsah, eine mathematische Formel,
eine Reihe von Geschichtsdaten oder irgendwelche
grammatikalischen Regeln auswendig zu lernen, dann weigerte sie sich
mit geradezu renitenter Faulheit. «Ich kann nachschauen», sagte
sie, «wir haben ein Lexikon zu Hause.» Erst wenn ihr Vater oder
einer der Lehrer sie wieder mal ins Gebet nahm und ihr klarmachte,
dass ihre Versetzung gefährdet war, eignete sie sich den
verlangten Stoff binnen kürzester Zeit doch noch an und schrieb in
den folgenden Klassenarbeiten bessere Noten als jene
Mitschüler, die während des gesamten Schuljahres fleißig gelernt
hatten.
    Wenn
sie hingegen Feuer fing, war sie kaum zu bremsen. Es gab Themen, in
die sie sich geradezu verbiss. Dann traktierte sie ihre Lehrer
mit immer neuen Nachfragen, bis diese entnervt zugeben mussten,
selbst an ihre Grenzen zu stoßen. Sie ging dann in die Bibliothek
und schleppte stapelweise Bücher nach Hause, las Tag und Nacht und
vernachlässigte sämtliche anderen

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