Rosenherz-berbKopie
Freundlich
und ein wenig müde.
Ihr
Blick verfing sich in seinen Locken.
«Also
los», sagte er. «Ich halte dich fest.»
Sie
hob ihr rechtes Bein und saß mit einem Schwung im Sattel. Das Rad
schwankte einen Moment, dann hatte Albanelli es im Griff. Annas
Schulter lehnte an seinem Brustkorb. Sie atmete tief ein.
«Hast
du schon mal auf einem Rennrad gesessen?»
«Natürlich.
Meine Brüder hatten welche.»
Durch
den Stoff ihrer Hose spürte sie seine Hand, die das Sattelende
umklammert hielt. Sie machte keinen Versuch, der Berührung
auszuweichen.
«Wie
fühlt es sich an?»
Für
einen Moment war sie irritiert. Dann lachte sie. «Gut», sagte sie.
«Sehr gut.»
Als
er jetzt sprach, spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr. Sie bewegte
sich nicht.
«Soll
ich das Rad runtertragen? Willst du eine Probefahrt machen?»
«Nein»,
sagte sie. «Später vielleicht.»
«Was
willst du?»
Sie
ließ einen Moment vergehen. «Ich will, dass du mir deine Kammer
zeigst», sagte sie leise.
Noch
immer schaute sie ihn nicht an. Sie starrte geradeaus, ohne
etwas zu sehen. Sie wartete auf seine Antwort.
«Ich
bin ein alter Mann», sagte er.
«Ich
will dich ja auch nicht heiraten.»
Er
ließ den Sattel los und legte einen Arm um ihre Taille. Das Rad
kippte gegen seinen Oberschenkel. Er half ihr herunter, schaute
ihr kurz in die Augen und stellte das Olmo auf seinen Platz.
«Bist
du sicher?», fragte er.
Anna
nickte.
Er
ging voraus und öffnete die Kammertür.
Der
Raum war nicht größer als fünfzehn Quadratmeter. Tatsächlich
schien Fausto Albanelli nicht viel zu brauchen. Auf dem Boden lag
eine breite Matratze. Es gab einen kleinen Tisch mit zwei
Stühlen. An der Wand war ein Regal aufgestellt, das locker mit
Büchern bestückt war. Davor standen ein kleiner Fernseher und eine
Stereoanlage. In der hinteren Ecke des Zimmers hatte man, direkt
neben einem schmalen Kleiderschrank, eine Duschkabine eingebaut.
«Hübsch»,
sagte sie, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. «Und wo
kochst du?»
Er
räusperte sich. «Auf der anderen Seite der Werkstatt gibt es eine
Teeküche mit einem Herd und einem Kühlschrank.»
«Und
deine Wäsche?»
Er
lachte. «Ich dachte, du wolltest mich nicht heiraten ...
Meistens gehe ich in den Waschsalon. Ab und zu lässt mich auch eine
der Kellnerinnen aus dem Cafe bei sich waschen.»
«Ist
sie deine Geliebte?»
«Manchmal»,
sagte er.
Anna
ging zum Bücherregal und legte den Kopf schief. Aber es
interessierte sie nicht wirklich, was Fausto Albanelli las. Sie
wollte nur ihre nächste Frage so beiläufig wie möglich klingen
lassen.
«Wollen
wir zusammen duschen?»
Sie
hob den Arm und griff nach einem Buch in einer der oberen
Reihen. Unter ihrer Achselhöhle hindurch sah sie ihn an.
Er
lächelte verlegen. Seine Arme hingen ein wenig hilflos an seinem
Körper herab. «Wenn wir da zu zweit reinpassen.»
«So
dick bin ich auch nicht!», sagte sie mit gespielter Empörung.
«Nein»,
erwiderte er. «Du bist schön. Wie heißt du?» «Anna.»
«Anna»,
wiederholte er.
Er
ging zu ihr und küsste sie.
Sie
hatte lange unter der Dusche gestanden und sich gegenseitig
gestreichelt. Dann waren sie auf die Matratze umgezogen. Sie hatten
sich heftig geliebt, hatten eine wortlose Pause eingelegt und
dann noch einmal miteinander geschlafen.
Erschöpft
lagen sie nebeneinander. Beide auf dem Rücken, beide rauchend. Sie
schauten an die Decke. Annas rechte Handfläche lag auf Fausto
Albanellis linkem Handrücken.
Durch
das gekippte Fenster hörten sie das Klappern des Geschirrs aus der
Küche des kleinen Cafes.
«Woran
denkst du?», fragte Anna.
«An
dich», antwortete er.
«Lügner!
Warum hast du keine Frau?»
Fausto
nahm einen Zug aus seiner Zigarette, inhalierte tief und stieß dann
den Rauch mit einem hörbaren Seufzer aus. «Ich war verlobt... vor
vielen Jahren. Paola war Italienerin. Es hat lange gedauert, bis ich
sie überzeugt hatte, nach Frankfurt zu kommen. Aber sie fühlte sich
nicht wohl in Deutschland. Sie hatte keine Arbeit, sie konnte die
Sprache nicht, und sie hatte Sehnsucht nach ihrer Familie. Paola
wurde immer blasser. Sie wurde traurig und krank. Hat mich
angefleht, mit ihr zurück nach Italien zu gehen. Ich habe sie
vertröstet. Noch ein Jahr, habe ich gesagt. Noch ein halbes Jahr.
Lass mich noch ein bisschen Geld verdienen. Immer wieder habe ich sie
hingehalten. Bis es zu spät war. Bis sie eines Tages ihre
Sachen gepackt hat und verschwunden ist. Einmal hat sie sich
noch
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