Rosenmunds Tod
Selbst unsere Privatwohnungen haben die durchsucht.«
»Was?«, entfuhr es Swoboda lauter als beabsichtigt. Eine leichte Blässe legte sich um seine Nase.
»Ja, dachtest du, die sehen sich nur in den Firmen um? Das sind zwar Beamte, aber so ganz doof sind die auch nicht. Und sie wussten genau, wo sie suchen mussten.«
Swoboda setzte das leere Glas an den Mund, stutzte kurz und winkte den nächsten Kellner heran. Er konnte kaum mehr schlucken.
»Ich war bis gerade eben zur Vernehmung im Präsidium«, berichtete von Illing weiter. »Einer von uns muss die mit allen notwendigen Informationen versorgt haben. Die wussten über fast alles schon Bescheid, ihnen fehlten nur noch die Beweise. Und die haben sie jetzt.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand«, murmelte Swoboda.
»Du musst verschwinden«, fuhr von Illing fort.
»Bist du wahnsinnig? Ich kann mich doch jetzt nicht einfach aus dem Staub machen.«
»Ich an deiner Stelle würde das tun«, schnaubte von Illing. »Was meinst du, warum die mir meinen Pass abgenommen haben? Bestimmt nicht, um sich das Foto zu kopieren. Ich hab die Auflage, die Stadt nicht zu verlassen und mich jeden Tag bei der Polizei zu melden.«
»Hast du unsere Anwaltskanzlei schon informiert?«.
»Natürlich. Deshalb bin ich ja jetzt überhaupt hier. Sonst hätten die mich dabehalten.«
Swoboda lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, als sich die Augen seines Komplizen weiteten.
»Da sind sie«, hauchte von Illing. »Kripo.«
Der Unternehmer sah zum Eingang des Rathaussaals, wo sich ein Mann und eine Frau aufgebaut hatten und suchend durch den Saal blickten. Schon die Garderobe bewies, dass sie nicht zu den geladenen Gästen gehörten.
Der Mann am Eingang zeigte einem der Diener seine Dienstmarke, worauf der Livrierte kurz nickte und sich in Bewegung setzte.
Nach kurzer Orientierung hatte er Swoboda entdeckt und steuerte in seine Richtung.
»Hier steckst du«, war die joviale Stimme Stoevers zu hören. »Unser russischer Freund hat noch eine Frage an dich.«
»Ich glaube, das ist jetzt ein schlechter Zeitpunkt«, antwortete Swoboda mit belegter Stimme.
»Warum?«
Statt eine Antwort zu geben, beobachtete der Unternehmer wie gebannt die beiden Beamten, die nur noch wenige Schritte entfernt waren.
»Herr Swoboda?«, fragte der Mann.
»Ja?«
»Ich bin Kriminalhauptkommissar Kemper, Kripo Bochum. Meine Kollegin, Frau Roth.«
»Und? Was kann ich für Sie tun?«
»Sie können uns begleiten«, gab Kemper gut gelaunt zurück.
»Das muss doch wohl nicht jetzt sein«, mischte sich Stoever mit schneidender Stimme ein. »Sehen Sie denn nicht, dass es sich hier um einen offiziellen Empfang handelt?«
»Tut mir Leid, Herr Oberbürgermeister, darauf kann ich keine Rücksicht nehmen«, gab Kemper seelenruhig zurück. »Herr Swoboda, ich nehme Sie hiermit fest.«
»Das ist doch völlig absurd«, donnerte Stoever. »Sie haben wohl keine Ahnung, wen Sie vor sich haben.«
»Was wirft man mir vor?«, fragte Swoboda leise.
»Nun, Korruption, Bestechung, Betrug,
Steuerhinterziehung.«, begann der Hauptkommissar, während er den Haftbefehl hervorzog, »und darüber hinaus den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen sowie den Besitz von kinderpornografischem Material. Begleiten Sie uns bitte, ohne eine große Szene zu machen?«
»Hans Georg, das ist doch nicht wahr, oder?«, fragte Stoever irritiert.
Swoboda grinste schwach. »Wir sehen uns.«
11
Annika Schäfer presste Daumen und Zeigefinger der rechten Hand kräftig auf die Nasenwurzel, atmete tief durch und lehnte sich zurück. Dann seufzte sie laut und sah demonstrativ aus dem Fenster.
»Was ist?«, fragte Sabine Klinken von der anderen Seite des Schreibtisches.
»Blöde Frage«, murrte die Kommissarin widerwillig. »Wenn ich so einen Dreck vor mir sehe, kommt mir die Galle hoch.«
»Irgendeiner muss sich darum kümmern«, antwortete ihre Kollegin lakonisch und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit.
Der ›Dreck‹ bestand aus mehreren hundert Hochglanzfotos, die ihnen die Kollegen vom Betrugsdezernat nach der Hausdurchsuchung bei Swoboda übergeben hatten. Obwohl die Bilder im Prinzip alle das Gleiche zeigten, war jedes für sich abstoßend und Ekel erregend.
»Lässt dich das tatsächlich schon völlig kalt?«, fragte Schäfer die fast fünfzehn Jahre ältere Kollegin, obwohl sie die Antwort schon kannte.
»Nein«, kam es dann auch von Klinkert. »Aber wenn du dir nicht irgendwann ein dickes Fell zulegst, gehst du daran
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