Rosenmunds Tod
seiner ausgebeulten Jeans und zog ein trotziges Gesicht.
Mindestens zwanzig Kilo zu viel, dachte Katharina und lehnte sich gegen die Fensterbank. »Verrätst du mir, warum du so schrecklich nervös bist?«
»Ich bin nicht nervös«, erklärte er schroff.
»Wie würdest du deinen Zustand dann beschreiben?«, grinste Hofmann. »Die Ruhe selbst?«
Henning schluckte und starrte an Katharina vorbei aus dem Fenster auf die umliegenden Kornfelder.
»Kanntest du Svenja besser als die anderen?«
Die Gesichtsfarbe wurde noch eine Spur dunkler. »Ein wenig«, gab er dann zu.
»Hör mir mal zu, Henning«, sagte Katharina eindringlich. »Wir haben einen Mordfall zu lösen. Svenja wurde auf brutale Art und Weise getötet, jede Kleinigkeit kann für uns von Bedeutung sein. Und wenn du etwas weißt, was uns weiterhelfen kann, musst du uns das sagen. Auch die Zurückhaltung von Informationen kann unter Umständen strafbar sein.«
Henning riss seine Augen auf. »Strafbar?«, hauchte er.
»Ich glaube ganz bestimmt nicht, dass du etwas mit dem Mord zu tun hast«, lenkte Katharina von den gerade prophezeiten düsteren Aussichten ab. »Aber schon als ich Svenjas Namen nur aussprach, bist du angelaufen wie eine überreife Tomate.«
Der Junge rang sichtlich mit sich. »Sie war doch so verdammt hübsch«, flüsterte er dann.
»Stimmt, da gebe ich dir Recht«, meinte Katharina behutsam. »Warst du in sie verliebt?«
»Nein. ja. Das war doch jeder aus der Klasse. Aber sie war so. so.«
»Kalt? Unnahbar?«, half Hofmann auf die Sprünge.
»Genau«, bestätigte Henning dankbar.
»Aber das ist doch kein Grund für dich, nervös zu werden.«
»Nein. aber ich. ich hatte was mit ihr.«
Katharina heftete ihre Augen ungläubig auf den Fleischkloß vor ihr. »Eine Beziehung? Du meinst eine sexuelle Beziehung?«, fragte sie nach.
»Ja«, stammelte Henning. Dabei kniff er die Beine zusammen, als müsse er dringend auf eine Toilette.
»Erklär das mal ein wenig genauer«, bat Hofmann. »Ich denke, sie war immer so abweisend.«
»So war das ja auch nicht«, jammerte Henning flehentlich. »Es ist einfach so passiert.«
»Ich verstehe immer noch Bahnhof.«
Der Junge atmete tief durch, seine Augen röteten sich und wurden feucht. »Das war Mitte letzten Jahres, kurz vor den Sommerferien. Nach einer Chemiestunde. Svenja und ich sitzen im Chemieraum nebeneinander, wir haben da so ein Experiment gemacht. Bei uns hat das nicht geklappt, der ganze Tisch war verschmiert. Als die anderen Pause gemacht haben, mussten wir den Arbeitsplatz sauber machen.«
»Und?«
»Sie sah so süß aus.« Jetzt liefen ihm wirklich Tränen über das fleischige Gesicht. »Sie hatte einen Minirock an und so ein weit ausgeschnittenes T-Shirt, mit nichts drunter. Als sie sich gebückt hat, um etwas aufzuheben, hab ich alles sehen können. Ich konnte mich einfach nicht beherrschen und hab sie angefasst.«
»Du hast sie angefasst? Wo?«
»Zuerst an der Brust.«
»Und sie hat sich das gefallen lassen?«, zweifelte Hofmann.
»Ich habe es ja auch nicht fassen können. Aber sie ist einfach ruhig stehen geblieben, hat nicht mal etwas gesagt.«
»Wie ging das dann weiter?«
»Erst hab ich gedacht, sie erzählt einem Lehrer davon oder ihren Eltern. Aber da kam nichts. Sie ist mir auch nicht aus dem Weg gegangen. Und dann hab ich mir überlegt, ich könnte.«
». du könntest versuchen, ob da noch mehr möglich ist, oder?«, lauerte Katharina, als die Pause zu lang wurde.
»Genau. Als wir das nächste Mal Chemie hatten, hab ich es dann versucht. Ich hab ihr die Hand auf den Oberschenkel gelegt, an dem Tag trug sie ja wieder so einen kurzen Rock. Sie hat nicht mal gezuckt, sondern einfach weiter nach vorne auf die Tafel geschaut.«
»Ist es dabei geblieben?«
»Nein«, flüsterte Henning.
»Hast du auch richtig mit ihr geschlafen?«
»Danach im September. Da waren wir auf Klassenfahrt in Hamburg. Ich hab ihr gesagt, sie soll nachts auf die Jungentoilette kommen. Sie hat keinen Ton gesagt, aber sie war dann tatsächlich da.«
Hofmann kramte seine für Notfälle vorgesehene Schachtel Lord Extra hervor, öffnete das Fenster und steckte sich erst mal eine an. Fassungslos kratzte er sich am Hinterkopf. »Und wie lange ging das so?«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, wie oft hast du mit ihr geschlafen?«
»Es hat nie aufgehört. Letztes Mal haben wir uns vor zwei Wochen getroffen. Ich hab ihr gesagt, wo sie hinkommen soll, und sie kam. Wenn sie keine Zeit hatte, hat sie
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