Rosenmunds Tod
Wielert. »Dann können wir ja anfangen.«
»Ohne de Vries?«, fragte Kemper.
»Frau de Vries ist dienstlich verhindert«, grinste Wielert freudlos. »Wenigstens können wir uns so mal in Ruhe unterhalten. Ulrich, ich schlage vor, dass du anfängst. Bei euch sieht es ja wohl noch am besten aus, oder?«
»So ist es«, nickte Kemper und schlug seine mitgebrachten Unterlagen auf. »Nach allem Anschein bekommen wir Swoboda am Kanthaken. Wir können ihm in etlichen Fällen Bestechung, Korruption, Veruntreuung und Steuerhinterziehung nachweisen. Alles in allem hat der in den letzten Jahren schätzungsweise dreißig Millionen Euro schwarz auf die Seite gebracht.«
»Dreißig Millionen?«, fragte Hofmann nach. »Und das ist nie einem aufgefallen?«
»Doch«, gab Kemper zu. »Allerdings konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Und ohne die gezielte Information aus seinem direkten Umkreis wären wir nie so weit gekommen. Wir hatten riesiges Glück.«
»Wer hat ihn denn verpfiffen?«, fragte Katharina.
Kemper grinste. »Ein ehemaliger Mitarbeiter. Mehr sag ich zum Schutz der Person nicht. Ist letzten Endes ja auch egal, Hauptsache, wir haben endlich etwas in der Hand.«
»Swoboda ist ein ekelhafter Mensch«, konnte sich Schäfer nicht zurückhalten. »Allerdings ist seine Anwältin noch einen Zahn schärfer.«
»Hat der alles allein durchgezogen?«, fragte Wielert. »Oder hängen da noch andere aus der Firma mit drin?«
»Es spricht vieles dafür«, nickte Kemper. »Hätte Swoboda seine Machenschaften tatsächlich allein betrieben, hätte er nie mehr als zwei Stunden Schlaf pro Tag bekommen. Außerdem ist in einem so großen Stil betrogen worden – das hätte Swoboda allein in seinem Unternehmen nicht geheim halten können. Wir gehen fest davon aus, dass seine engsten Mitarbeiter und die Geschäftsführer einiger seiner Firmen in die verbrecherischen Tätigkeiten involviert waren. Speziell haben wir da vier, fünf Leute im Auge.«
»Und die hüllen sich genauso in Schweigen?«
»Wir fangen erst heute mit den Vernehmungen an.«
»Ist das nicht ein bisschen spät?«, wunderte sich Katharina. »Immerhin haben Sie Swoboda doch schon Anfang der Woche kassiert.«
»Ich weiß, das klingt merkwürdig. Aber meine Leute, die Staatsanwaltschaft und auch die Steuerfahnder, alle arbeiten, seit wir Swoboda haben, fast rund um die Uhr. Das Ausmaß des Sumpfes konnten wir am Anfang gar nicht überblicken.«
»Ich weiß nicht, ob ich dich bemitleiden oder beneiden soll«, gestand Wielert.
»Schätze mal, fünf Jahre können wir ihm verpassen«, meinte Kemper zufrieden. »Habt ihr schon etwas Brauchbares?«, blickte er Schäfer fragend an.
»Fast nichts«, erklärte Annika. »Wir wissen weder, wer die Mädchen sind, die missbraucht wurden, noch, wer die Männer sind, die sie missbraucht haben. Dieser Mistkerl sagt ja nichts. Wir haben insgesamt neun Mädchen gezählt, die von der Sache betroffen sind.«
»Alles unbeschriebene Blätter?«, fragte Gassel.
»Ausnahmslos. Keine von denen ist bisher aufgefallen. Vermisst wird auch keine, es sieht fast so aus, als ob die alle aus geordneten Verhältnissen stammen und ein scheinbar normales Leben führen.«
»Das kann doch nicht sein«, wunderte sich Kemper. »So ein Missbrauch hinterlässt doch Spuren.«
»Klar. Aber in den meisten Fällen bricht das erst alles durch, wenn die Mädchen älter werden. Und es gibt etliche, die das einfach verdrängen und sich wirklich nicht mehr daran erinnern.«
»Und Sie haben anhand der Videos keinen der Täter identifizieren können?«, vergewisserte sich Wielert.
»Keinen einzigen. Überdies scheint Swoboda privat eher ein Einzelgänger zu sein. Wir sind bisher weder auf Freunde gestoßen, die als Mittäter in Frage kommen, noch auf Verwandte, mit denen er regelmäßig in Kontakt steht. Seine persönlichen Aufzeichnungen geben nichts her, die Telefonnummern in seinem Kalender gehören zu seinen Ärzten oder sind Firmenkontakte.«
Annika räusperte sich und nahm einen Schluck Kaffee, bevor sie fortfuhr. »Allerdings gehen wir davon aus, dass die Täter ständig in Verbindung gestanden haben. Swobodas Bruder besitzt im Sauerland ein Ferienhaus, jedoch benutzt er es nie, da er seit einigen Jahren in Asien lebt. Wir haben uns einen Durchsuchungsbefehl besorgt, aber das Nest war schon sauber ausgeräumt.«
»Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Auf den Videos waren auch Sequenzen, die nicht in Swobodas Haus aufgenommen worden sind, sondern an einem
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