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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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dienstlich hier, oder?«
    »Nein«, meinte de Vries nach einem kurzen Zögern. »Und Sie?«
    Op den Hövel stutzte einen Moment, dann lachte sie hell auf. »Misstrauisch bis in die Haarspitzen, was? Hören Sie, im Gericht und bei den Vernehmungen meiner Mandanten, da mache ich meinen Job. Aber auch ich habe irgendwann Feierabend.«
    De Vries winkte eine Bedienung heran, die sich endlich mal ins Obergeschoss getraut hatte, und bestellte ein Bananensplit. Op den Hövel orderte einen einfachen Kaffee und kramte eine Schachtel Zigaretten hervor.
    »Stört es Sie?«
    »Nein. Hin und wieder rauche ich selbst, nur während der Arbeitszeit lehne ich das ab.«
    »Warum?«
    »Es lenkt ab.«
    Op den Hövel zuckte die Achseln, zog einen Glimmstängel aus der Packung und bot de Vries ebenfalls einen an.
    Nach dem ersten Lungenzug lehnte sich die junge Anwältin zurück und schlug die Beine übereinander. Ihr Rock war sommerlich kurz, der Saum endete etliche Zentimeter oberhalb der Mitte ihres Oberschenkels.
    De Vries sah eine Sekunde zu lange hin.
    »Kommen Sie eigentlich aus Bochum?«, fragte op den Hövel. »Ich meine da einen leichten Akzent in Ihrer Stimme zu hören.«
    »Berlin.«
    »Ach, wirklich? Schöne Stadt. Ich bin ja aus Köln, habe aber früher sogar ein paar Jahre hier in Bochum gelebt. Ist schon Ewigkeiten her.«
    »Wirklich?«
    »Bis ich sechzehn war. Mein Vater veränderte sich beruflich ins Ausland, USA.«
    »War bestimmt ein beeindruckendes Erlebnis, oder?«
    Op den Hövel lächelte. »Ich bin nicht mit rübergegangen. Internat in der Schweiz, da habe ich auch studiert.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Schon lange tot. Sie starb bei einem Autounfall, als ich dreizehn war.«
    De Vries nickte automatisch. Einerseits fühlte sie sich absolut unwohl in ihrer Haut, andererseits ertappte sie sich dabei, dass sie die junge Frau auf der anderen Seite des Tisches am liebsten angestarrt hätte.
    »Eines würde mich interessieren«, meinte die Staatsanwältin dann. »Können Sie ruhig schlafen, obwohl Sie solche Mandanten wie diesen Herrn Swoboda vertreten?«
    Op den Hövel leckte über den Filter ihrer Zigarette und sah de Vries direkt in die Augen. »Selbstverständlich. Warum nicht?«
    »Alle Indizien sprechen gegen ihn. Und gerade im Hinblick auf den sexuellen Missbrauch ist die Beweislage erdrückend. Ekelt Sie der Mensch nicht an?«
    »Swoboda gab mir gegenüber an, unschuldig zu sein; trotz der angeblichen Beweise muss ich von seiner Unschuld überzeugt sein, sonst könnte ich seine Interessen nicht angemessen vertreten. Und da gibt es ja noch die andere Seite: Mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs an Kindern wird auch viel Schindluder getrieben.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte de Vries vorsichtig.
    Op den Hövel lehnte sich vor und verströmte dabei einen Hauch ihres Parfüms. »Ich hatte da mal einen Fall, liegt schon einige Jahre zurück. Eine Frau ist mit ihrer siebenjährigen Tochter zur Polizei gegangen, um Anzeige gegen ihren eigenen Mann zu erstatten. Angeblich habe der das Mädchen seit Jahren täglich zum Oralverkehr gezwungen. Der arme Kerl ist aus allen Wolken gefallen, hat ihm aber nichts genutzt. Vier Jahre hat er bekommen.«
    »Und, wo bleibt die Moral der Geschichte?«
    »Ein halbes Jahr später kam mehr durch Zufall heraus, dass die Frau ihren Gatten loswerden wollte, um mit ihrem Geliebten ein ungestörtes Leben führen zu können. Es war jede Menge Geld im Spiel, wegen der Gütertrennung wäre sie bei einer Scheidung leer ausgegangen. Also hat sie ihre Tochter so lange beeinflusst, bis die jedem, der es hören wollte, erzählte, Papa habe schmutzige Dinge mit ihr gemacht. Das Urteil wurde zwar aufgehoben, aber der Mann war geschäftlich ruiniert. Ein Jahr später hat er sich suizidiert.«
    »Hören Sie auf«, brauste de Vries auf. »Derartige Einzelfälle gibt es, zugegeben. Aber deshalb gleich verallgemeinernd diese Leute in Schutz zu nehmen ist in meinen Augen sehr kurzsichtig.«
    »Es sind eben keine Einzelfälle«, säuselte op den Hövel und strich wie zufällig kurz über de Vries’ Hand. »Was war denn mit diesem Kindergartenerzieher, der sich angeblich an über zwanzig oder fünfundzwanzig Kleinkindern vergangen haben soll? Alles nur hysterische Vorstellungen von durchgedrehten Sozialarbeiterinnen.«
    »Trotzdem«, beharrte de Vries, deren Herzschlag bei der kurzen Berührung für eine Sekunde ausgesetzt hatte. »Natürlich gibt es auch falsche Anschuldigungen, aber die Zahl der

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