Rosenmunds Tod
haben, hier in der Nachbarschaft hatte sie wohl auch keine Freundin, wenigstens haben wir bei unseren Befragungen keine gefunden. Was für ein Mädchen war Svenja?«
»Sie war ein Engel«, antwortete die Mutter mühsam beherrscht. »Während der ganzen Jahre haben wir nie Probleme miteinander gehabt. Und wir waren beide so froh, nach der Scheidung endlich unsere Ruhe zu haben.«
»Ihre Ehe lief nicht gut?«
»Mein Mann war ein Tyrann. Weder Svenja noch ich konnten ihm etwas recht machen.«
»Kam es auch zu körperlicher Gewalt?«, fragte Gassel vorsichtig.
»Nein, so weit ging es nicht. Wir haben uns zum Schluss zwar ständig angeschrien, aber geschlagen hat er mich nicht. Svenja auch nicht, soweit ich weiß.«
»In welcher Form hat Ihre Tochter denn unter Ihrem Mann gelitten?«
»Klaus Dieter war fürchterlich streng, Svenja musste für jede Kleinigkeit um Erlaubnis fragen, vor jedem Essen ihre frisch gewaschenen Hände vorzeigen. Für die kleinsten Kleinigkeiten gab es Strafen, kam sie mal fünf Minuten zu spät von der Schule, gab es sofort vierzehn Tage Hausarrest. Kein Wunder, dass sie irgendwann durchgedreht ist.«
»Durchgedreht?«
Düdder nickte. »Svenja war anderthalb Jahre in der Kinderund Jugendpsychiatrie, in Marl-Sinsen.«
»Wie alt war sie da?«
»Lassen Sie mich mal überlegen. Als sie da reinkam, war sie gerade acht geworden.«
»Also noch zur Grundschulzeit?«
»Ja, sie ist während des Klinikaufenthaltes dort weiter zur Schule gegangen.«
»Was wurde bei ihr denn diagnostiziert?«
»Bis zum Schluss waren sich die Ärzte nicht ganz sicher. Selbstunsichere und abhängige Persönlichkeit hieß das, glaube ich. Allerdings hatte sie keine Aggressionsschübe mehr, ich hab sie dann wieder nach Hause geholt, als mein Mann und ich uns über eine Trennung verständigt hatten.«
»Und danach brauchte sie keine Behandlung mehr?«
»Doch, natürlich. Sie ist. sie war laufend in Behandlung, ambulant bei einem Kinderpsychologen. Doktor Beeck.«
Wielert nickte automatisch. Vermutlich verbarg sich Dr. Beeck hinter Dr. B aus Svenjas Terminkalender. »Wir benötigen bitte die Adresse dieses Doktor Beeck. Hatte Svenja noch Kontakte aus der Zeit in der Klinik?«
»Das kann ich Ihnen nicht mit Gewissheit sagen. Svenja war damals mit einem Mädchen aus Bochum zusammen auf einem Zimmer, die beiden haben sich danach gelegentlich getroffen. Ob auch noch in letzter Zeit, weiß ich nicht.«
»Kennen Sie den Namen dieses Mädchens?«
»Sara. oder Mara, einer von den beiden. An den Nachnamen erinnere ich mich nicht.«
»Hatte Svenja nie Besuch von einer Freundin hier zu Hause?«
»Aber natürlich. Hin und wieder kam mal ein Mädchen vorbei, die Kerstin. Die zwei waren dann bei Svenja oben im Zimmer oder haben hier am Computer gesessen. Meistens war ich aber tagsüber nicht zu Hause, ich muss ja arbeiten.«
»Hat Ihnen Ihre Tochter denn nie etwas von sich erzählt? Was sie bedrückte oder was sie erlebt hat?«
»Doch, sicherlich. Wir haben abends immer zusammen gegessen, dann erzählte sie von der Schule. Alles belanglose Sachen, ich musste mir um nichts Sorgen machen.«
Wielert nippte jetzt ebenfalls an dem Kaffee und verzog das Gesicht. Jetzt kam er zum brisanten Teil der Befragung. »Frau Düdder, hat es damals, als Sie noch mit Ihrem Mann zusammenlebten, Hinweise gegeben, dass er Svenja missbraucht hat?«
»Nein, ich sagte doch, er hat sie nicht geschlagen. Höchstens mal einen Klaps auf den Po.«
Der Kriminalhauptkommissar atmete durch. »Ich dachte eher in sexueller Hinsicht.«
Gabriele Düdder schüttelte energisch den Kopf. »Völlig ausgeschlossen. Zu der Zeit habe ich beinahe den ganzen Tag zu Haus verbracht, Svenja war fast immer bei mir. Und einer der Gründe für die Trennung war, neben den Streitereien, die Tatsache, dass sich mein Geschiedener inzwischen mehr für Männer interessierte. Wie kommen Sie auf den Gedanken?«
»Svenja ist missbraucht worden. Vielleicht nicht von Ihrem Exmann, aber von anderen Männern.«
»Was sagen Sie da?«, hauchte Düdder entsetzt.
»Es stimmt«, bekräftigte Gassel. »Uns liegen unzweifelhafte Beweise in Form von Video- und Fotoaufnahmen vor. Ihre Tochter ist deutlich zu erkennen.«
»Aber das ist doch unmöglich«, jammerte die Frau. Ihre mühsam zusammengehaltene Fassade zerbrach. »Svenja war doch noch ein Kind.«
»Es gibt keinen Zweifel«, wiederholte Wielert. »Haben Sie nichts davon gemerkt?«
Gabriele Düdder brach nun in Tränen aus.
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