Rosenmunds Tod
verschlafen an ihrem Milchkaffee und riskierte einen Blick. Hofmann hatte Recht, aus weit über fünfzig Meter Höhe sahen sie etliche Kilometer weit bis in die Tiefen des Breisgaus, zu ihrer rechten Seite erhoben sich die ersten Hügel des Schwarzwaldes. An normalen Tagen hätte die Blonde Stunde um Stunde hier sitzen, ihre Gedanken in die Ferne schweifen und die Seele baumeln lassen können. Aber hinter ihr lag ein Wochenende, das man nur mit dem Wort katastrophal beschreiben konnte, und heute Morgen hatte sie um drei Uhr aufstehen müssen, sich um vier neben Hofmann auf dem reichlich unbequemen Beifahrersitz des Vectra zusammengerollt und nur noch schlecht geschlafen. Ihr Rücken schmerzte, der Kopf brummte und ihre Laune war unterhalb der Durchschnittstemperaturen des Polarkreises gerutscht.
Der Betreiber des Cafés, in das sie sich kurz nach ihrer Ankunft in Freiburg zu einer kleinen Stärkung verzogen hatten, verfügte über eine Goldgrube. Im obersten Stock des einzigen Gebäudes der Stadt, welches die Bezeichnung ›Hochhaus‹ verdiente, bot der gastronomische Betrieb eine einmalige Aussicht. Höhenangst durfte man allerdings nicht haben, wenn man sich für einen der Sitzplätze direkt neben dem Abgrund entschied.
Hofmann fraß sich weiter mit den Augen durch die Gegend und zuckte zurück, als ein kleines Sportflugzeug unterhalb ihres Tisches vorbeizog und auf dem nahe gelegenen Flughafen zur Landung ansetzte.
»O Mann, hundert Meter weiter links und wir wären in den Nachrichten«, grinste er erschrocken und verfolgte die Flugbahn der kleinen einmotorigen Maschine.
»Saß denn ein Araber drin?«, nörgelte Katharina uninteressiert.
»Weiß nicht«, entgegnete Hofmann ernst. »Konnte ich nicht erkennen.«
»Berthold, du nervst. Trink endlich deinen Kaffee, der ist garantiert schon kalt.«
»Erübrigt sich wohl zu fragen, wie dein Wochenende war«, seufzte der Stoppelhaarige und wandte endlich die Augen von der Landschaft.
»Geht dich auch einen Scheißdreck an.«
»Aua, so schlimm?«
Katharina warf einen tödlichen Blick auf die andere Seite des Tisches und krallte sich an ihrer Tasse fest. Als sie Samstagmorgen endlich aus dem Bett gekrabbelt war, war Zander schon längst auf Tour gewesen und erst spätnachmittags wieder aufgetaucht, gerade rechtzeitig zur Zusammenfassung der WM-Spiele. So einen schlimmen Streit hatte es nie zuvor zwischen ihnen gegeben. Ulli hatte von Samstag auf Sonntag auf der Couch geschlafen, tagsüber waren sie sich dann aus dem Weg gegangen und hatten sich konsequent angeschwiegen. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn Ulli den Rest der Woche bei seinen Eltern verbrachte.
»Reiß dich aber gleich zusammen«, bat Hofmann. »Wenn du den Zeugen genauso freundlich anfunkelst wie mich, nimmt der sofort die Beine in die Hand.«
Die Blonde setzte ihre Tasse ab und griff nach ihren Zigaretten. Wahrlich kein guter Zeitpunkt, um mit dem Rauchen aufzuhören. »Wann treffen wir uns mit dem?«
»Halbe Stunde noch«, antwortete Hofmann nach einem Blick auf seine Uhr. »Der hiesige Kollege hat den Bengel an den Haupteingang der Uni bestellt, wollte ihm wohl den erneuten Anblick des Präsidiums ersparen.«
»Klasse. Und wie werden wir den Kerl erkennen? Oder kommt der Kollege auch dahin?«
»Nein, leider terminlich verhindert. Aber er hat mir eine sehr brauchbare Beschreibung gegeben. Wird schon schief gehen.«
»Wie weit ist es denn bis zu dieser Uni?«
»Von hier aus zu Fuß vielleicht zehn Minuten.«
»Kennst du dich hier aus?«
»Hab mir Freitag nach Feierabend einen Stadtplan besorgt«, erklärte Hofmann.
»Toll, dann bist du ja als Fremdenführer bestens qualifiziert. Trink aus und lass uns gehen. Ich muss noch ein bisschen an die Luft.«
Hofmann vernichtete seinen Kaffee und winkte der Bedienung.
Mit seiner Schätzung über die Länge des Fußweges hatte der Kommissar nicht schlecht gelegen. Obwohl sie sich Zeit ließen, brauchten sie keine Viertelstunde, bis sie den von der Freiburger Kripo vorgeschlagenen Treffpunkt erreicht hatten.
Katharina entdeckte eine freie Bank, nahm sie augenblicklich in Beschlag und rückte ihre Sonnenbrille zurecht. Bochum hatte sich in letzter Zeit ja nicht über zu wenig Sonnenstunden beschweren können, aber hier war die UV-Bestrahlung noch einen Zahn schärfer. Es war brütend heiß, aber nicht unangenehm. Ein beständiger, sanfter Wind vertrieb jeden Ansatz von Schwüle.
Hofmann nuckelte an seiner ersten Pfeife des Tages, als
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