Rosenmunds Tod
Nie, schließlich war er doch der Therapeut der Mädchen. Er trug doch Verantwortung für sie.«
»Mir reicht es«, entschied Wielert. »Noch ein Wort von diesem geballten Schwachsinn und meine Magengeschwüre brechen auf. Diesem sauberen Doktor Beeck rücke ich so bald wie möglich auf die Pelle. Wenn ich mit dem fertig bin, wünscht der sich garantiert, niemals geboren worden zu sein.«
33
Gute siebzehn Stunden später zupfte Wielert den Durchsuchungsbeschluss aus seiner Brieftasche und hielt ihn einer sichtlich konsternierten Sprechstundenhilfe unter die Nase. Als er gestern, nach Swobodas Vernehmung, wie ein Racheengel in die Praxis hatte stürmen wollen, war diese geschlossen gewesen, Beeck hatte sich auch nicht in seiner Privatwohnung befunden. Notgedrungen musste sich der Leiter des KK 11 noch eine Nacht gedulden, bis er den Therapeuten in die Mangel nehmen konnte.
Zwei Mütter, die mit ihren Zöglingen im Wartezimmer gesessen hatten, äugten neugierig um die Ecke in Richtung der Empfangstheke.
»Eine Durchsuchung? Der Praxisräume? Aber warum?«
Der Leiter des KK 11 faltete den Bogen Papier langsam wieder zusammen und drehte sich zu den Müttern. »Sie brauchen nicht länger zu warten. Doktor Beeck praktiziert heute nicht.«
Unter heftigem Getuschel zog die Besatzung des Wartezimmers ab.
»Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was los ist?«
»Ist Doktor Beeck schon in seinem Büro?«, ignorierte Gassel die Frage der Assistentin.
»Noch nicht, er hat vorhin angerufen, dass er eine halbe Stunde später kommt.«
»Na gut«, knurrte Wielert. »Bitte zeigen Sie uns doch schon mal, wo Sie die Patientenunterlagen verwahren.«
»Aber das kann ich doch nicht«, hauchte die Frau entsetzt. »All die intimen Daten.«
»Jetzt hören Sie mir mal zu, Frau.«
». Trömer«, half die Angesprochene.
»Frau Trömer«, wiederholte Wielert. »Ihr Chef sitzt ganz schön in der Patsche. Dieser Beschluss ermächtigt uns, alle Unterlagen zu beschlagnahmen, die für unsere Ermittlungen relevant sind.«
»Aber was für Ermittlungen denn?«, wollte Trömer wissen.
»Sie werden noch früh genug darüber informiert werden. Und jetzt zeigen Sie uns bitte die Patientenunterlagen.«
»Dort.« Die Frau deutete auf zwei stabile Metall schränke. »Aufgeschlossen habe ich heute Morgen schon.«
Während sich Gassel über die Aktendeckel hermachte, ging Wielert in Beecks Behandlungsraum. Unter dem Türrahmen blieb er einen Moment stehen und ließ den Raum auf sich wirken. Angenehmes Ambiente, ohne Zweifel. Interessiert studierte er die Titel auf den Buchrücken, Beeck besaß eine beeindruckende Sammlung an Fachliteratur, einen Teil der Bücher hatte er sogar selbst verfasst oder wenigstens daran mitgearbeitet.
Wielert wandte sich dem Schreibtisch des Psychologen zu. In den Schubladen fand er nichts Außergewöhnliches, ein paar Medikamente gegen Sodbrennen und Kreislaufschwäche, Büromaterial, Notizzettel mit unleserlichen Schmierereien. In der untersten Schublade lagen ein paar Patientenakten, dabei handelte es sich wohl um die aktuellen Neuzugänge.
»Hier sind die Unterlagen von Svenja Düdder und Mara Nowitzkowski«, erschien Gassel wie aufs Stichwort. »Willst du da schon mal reinschauen?«
»Klar, gib her.«
Wielert verzog sich mit dem Lesestoff in die Besucherecke und blätterte zunächst in der Akte von Svenja. Mit jedem Wort, das er las, wurde sein Gesicht länger, es stand nichts in der Dokumentation, was sie nicht schon über das Mädchen wussten. Aber was hatte er auch anderes erwartet? Beeck hätte ja mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen sein müssen, wenn er seine Vermittlungstätigkeit in der Krankenakte erwähnt hätte.
Gerade als Wielert die Akte von Nowitzkowski zur Hand nehmen wollte, betrat Beeck die Praxis. Sein fröhliches »Guten Morgen« blieb ihm im Hals stecken, als er das inzwischen verheulte Gesicht seiner Assistentin sah.
Wielert stand auf und ging zum Empfang. »Guten Morgen, Herr Doktor. Trifft sich gut, dass Sie kommen. Wir müssen uns mit Ihnen unterhalten.«
Beeck blieb äußerlich gefasst. »Wer sind Sie?«, fragte er knapp.
Der Kripobeamte stellte sich vor. »Meinen Kollegen Gassel kennen Sie ja bereits.«
Der Arzt nickte langsam und fasste sein elegantes schwarzes Köfferchen ein wenig fester. »Gehen wir doch in mein Büro«, bat er.
Wielert trat einen Schritt zur Seite und ließ Beeck an sich vorbei. Als beide auf gleicher Höhe waren, glaubte der Kripomann Angstschweiß zu
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