Rosenmunds Tod
Den Wagen hatten Sie wahrscheinlich inzwischen abgestoßen?«
»Verschrottet«, grinste Beeck freudlos. »Aber Swoboda hatte vorgesorgt. Er hat an der Unfallstelle fotografiert, aus seinem Auto heraus. Auf den Bildern war deutlich zu sehen, wie ich mich über den toten Körper beugte. Ich war damals so in Panik, dass ich das gar nicht gemerkt hatte. Und darüber hinaus hatte er heimlich eine unserer Unterhaltungen auf Band aufgenommen, Wochen später. Er drohte damit, alles der Polizei zu übergeben und meine Karriere zu ruinieren. Als ich ihm das erste Mal eines der Mädchen vorstellte, hatte er mich dann restlos in der Hand.«
»Also haben Sie auf Kosten Ihrer Patientinnen Ihren eigenen Hintern gerettet«, erklärte Wielert kopfschüttelnd. »Gerade Ihnen muss doch klar gewesen sein, was das bei den Mädchen anrichtete.«
Beeck schaute beschämt zur Seite und blieb stumm.
»Wie viele Mädchen waren das im Laufe der Jahre?«, fuhr Wielert fort.
»Alles in allem vielleicht so fünfzehn.«
»Und wie viele stammen aus Ihrem aktuellen Patientenkreis?«
»Nur Svenja und Mara. Ich schwöre. Swoboda war an ganz bestimmten Wesenszügen interessiert. Entweder abhängige Persönlichkeiten, so wie Svenja. Oder völlig distanzlose, narzisstische Mädchen.«
»Gab es denn keine Schwierigkeiten mit den Kindern? Wenn ich an meine eigene Tochter denke – die hätte, wenn der jemand zu nahe gekommen wäre, ab einem gewissen Alter Zeter und Mordio geschrien und wild um sich getreten.«
Beeck schlug die Hände vors Gesicht. »Was hätte ich denn machen sollen? Glauben Sie, ich bin stolz auf diese Geschichte? Natürlich gab es Schwierigkeiten, ein paar der Mädchen sind regelrecht dekompensiert, sie standen kurz vor einem völligen Zusammenbruch. Ich hatte alle Hände voll zu tun, sie aufzufangen.«
»Haben die Eltern nie etwas gemerkt?«
»Nein. Die Kinder kamen meist aus desaströsen Familienverhältnissen oder sie lebten mit einem allein erziehenden, desinteressierten Elternteil zusammen. Swoboda wusste genau, was er wollte, er hat mir quasi anhand einer Checkliste vorgegeben, welche Kriterien die Mädchen erfüllen sollten.«
»Ist er denn psychologisch vorgebildet?«
»Für einen Laien erstaunlich gut. In Heidelberg haben wir uns natürlich auch über unsere Studienfächer ausgetauscht, mir war von Anfang an klar, dass ich in den Bereich der Kinderund Jugendpsychiatrie wollte. Er muss davon weit mehr behalten haben, als ich damals registriert habe.«
»Swoboda stellt seine Vorliebe für Minderjährige gleichsam als einen Akt der Nächstenliebe dar. Von wegen, er gäbe den Kindern Liebe, Wärme, Aufmerksamkeit.«
»Ich weiß«, nickte Beeck, »diesen Sermon habe ich mir auch anhören müssen. Und wissen Sie, was das Perverse daran ist? Hans Georg glaubt wirklich daran, ihm fehlt jegliches Unrechtsbewusstsein. Ich habe ihm die möglichen Folgen für die Kinder ausgemalt, aber er blieb bei seiner Meinung.«
»Unfassbar. Klingt so, als hätte er das über Jahre geplant und vorbereitet. Ist Ihnen denn nie in den Sinn gekommen, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten?«
»Aber sicher doch«, erklärte Beeck mit tränenerstickter Stimme. »Mir fehlte allerdings der Mut, mich mit der Polizei in Verbindung zu setzen. Der daraus resultierende Skandal hätte ja nicht nur für mich, sondern auch für seine ehemaligen Opfer gravierende Folgen gehabt. Mitunter stehen die Frauen jetzt fest im Leben, haben eine Familie gegründet und selbst Kinder geboren. Ich hatte furchtbare Angst vor den Konsequenzen.«
Wielert beugte sich interessiert vor. »Sie meinen, einige von Swobodas Opfern haben das völlig verdrängt und führen ein normales Leben?«
»Aber natürlich, der Verdrängungsmechanismus leistet in vielen solcher Fälle hundertprozentige Arbeit. Die späteren psychischen Schäden bei missbrauchten Kindern klaffen extrem auseinander, das ist unglaublich. Ich hatte mal den Fall einer Siebzehnjährigen, die sich suizidiert hat. Nicht, weil ihr Vater sie seit ihrem achten Lebensjahr missbrauchte; sie ertrug es nicht, dass ihr Vater sich nicht mehr an ihr verging und das Interesse an ihr verloren hatte, als sie älter wurde. Aus rasender Eifersucht hat sie erst versucht, ihre jüngere Schwester umzubringen. Als das nicht gelang, tötete sie sich selbst.«
»Abgründe«, murmelte Wielert gegen seinen Willen fasziniert.
Beeck sah verzweifelt zu Wielert. »Ich schätze, Sie nehmen mich jetzt mit, oder?«
Wielert nickte. »Sie
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