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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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Motor aus. Seine Wohnung lag noch gut zweihundert Meter von hier entfernt, aber bevor er auf der Suche nach einem Parkplatz etliche überflüssige Runden um den Wohnblock drehte, nahm er lieber den kleinen Fußmarsch in Kauf. Außerdem konnte ein wenig frische Luft nie schaden.
    Müde klaubte er seine Zigaretten aus der Ablage, angelte die kleine Reisetasche vom Rücksitz und stieg aus. Es war zwar erst später Vormittag, aber ihm fielen trotzdem fast die Augen zu. Kein Wunder, Dienstagmorgen war er auf den Bock des Vierzigtonners geklettert, hatte sich über verstopfte Autobahnen nach Frankfurt an der Oder durchgekämpft, seine Ladung gelöscht, sechs Stunden auf die neue Fuhre gewartet und war dann wieder Richtung Freiburg gestartet. Morgen früh erwartete ihn die gleiche Tour. Aber bis dahin hatte er Freizeit.
    Bevor er den Hausflur des schmuddeligen Betonklotzes betrat, in dem er im vierten Stock wohnte, ging er in die Bäckerei und kaufte sich ein paar noch warme Brötchen und zwei Brezeln. Erst eine halbe Stunde in der Badewanne ausstrecken, dann ein ausgiebiges Frühstück und er war wieder frisch. Verschlafen wollte er seinen halben freien Tag auf gar keinen Fall.
    Im Briefkasten befanden sich nur einige Reklamesendungen, Galbierz hatte auch nichts anderes erwartet. Er erhielt nur selten private Post, zum Geburtstag vielleicht mal Glückwünsche von seinem Sohn oder hin und wieder eine bunte Urlaubspostkarte seiner Exfrau.
    In seiner kleinen Wohnung roch es muffig, er stellte seine Reisetasche neben den Schuhschrank in der Diele, legte die Bäckereitüten in die Küche und öffnete, noch in Schuhen und Jacke, alle Fenster. Dann setzte er Kaffee auf, verstöpselte im Bad die Badewanne und drehte das heiße Wasser auf.
    Galbierz lebte seit fast zwanzig Jahren allein, seit seine Frau es leid geworden war, neben den Lkws nur die zweite Geige zu spielen. Sie hatte ihn vor die Wahl gestellt, entweder er suchte sich einen neuen Job oder sie zöge mit dem Jungen aus. Was hätte er damals anderes machen sollen? Er ging schon stramm auf die vierzig zu, hatte immer als Berufskraftfahrer gearbeitet, er hatte nichts anderes gelernt. Erst später erfuhr er, dass seine Frau schon längst einen anderen Mann kennen gelernt hatte und ihm nur den schwarzen Peter für die Trennung hatte zuschieben wollen.
    Als die Kaffeemaschine zischte und brodelte, war auch die Badewanne fast voll. Galbierz drehte das heiße Wasser ab, ließ etwas kaltes dazulaufen und zog sich aus. Frische Wäsche und Socken lagen bereit. Er stellte das kleine Tischchen mit seiner Tasse, Milch- und Zuckerkännchen und den letzten Ausgaben des Schwarzwälder Boten neben das Kopfende der Wanne, füllte den Kaffee in die Thermoskanne, machte das Radio an und stieg ächzend in das heiße Wasser.
    Im ersten Moment dachte er, er müsse verbrennen. Langsam ließ er sich tiefer in die Wanne gleiten, mit angehaltenem Atem setzte er sich schließlich hin. Als die Hitze seinen Rücken erreichte, räkelte er sich vorsichtig. Die Schmerzen an der Wirbelsäule wurden weniger.
    Die ganzen Jahre auf dem Bock forderten ihren Tribut, seine Bandscheiben waren nur noch ein Trümmerhaufen. Zu sechzig Prozent war er schwerbehindert, noch ein gutes Jahr und er konnte endlich in Rente gehen. Extrem lange Auslandstouren mutete ihm sein Chef sowieso nicht mehr zu.
    Seinem Rücken ging es jetzt merklich besser. Mit der rechten Hand schaufelte Galbierz drei Stücke Würfelzucker in seine Tasse, gab einen kräftigen Schuss Milch dazu und rührte um. Nach dem ersten Schluck griff er zur Zeitung von vorgestern.
    Die Schlagzeilen auf der ersten Seite sagten ihm nichts Neues, hatte er alles schon in den Radionachrichten gehört. Schnell blätterte er weiter, bis er zum Sportteil kam. Der SC bastelte nach dem Abstieg aus der Bundesliga immer noch am Kader für die nächste Saison. Galbierz grinste. Früher war auch er bei jeder Gelegenheit ins Dreisam-Stadion gerannt, aber irgendwie interessierte ihn das nicht mehr, zur zweiten Liga ging er sowieso nicht.
    Die Spielberichte von der WM waren da schon interessanter. Galbierz fräste sich durch die entsprechenden Artikel. Das war das Blöde an seinem Job, er konnte kaum mal ein Spiel live im Fernsehen verfolgen. Und sich ein Fußballspiel aufzuzeichnen und es sich anzusehen, wenn man das Ergebnis schon kannte, war genauso prickelnd wie ein Kuss von seiner Schwiegermutter.
    Nach dem Sportteil blätterte er kurz den Lokalteil durch, aber

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