Rosenpsychosen
dass Sie, anstatt weiterhin zu mir zu kommen, sich einer Psychoanalyse unterziehen, die anstrengend, aufreibend und auch zeitaufwändig ist, Ihnen aber wirklich für den Rest Ihres Lebens etwas bringen kann. Ihre Todessehnsucht und Ihre Grundtrauer – die werden Sie wahrscheinlich immer begleiten, mal schwächer, mal stärker ausgeprägt. Was aber trotzdem für Sie möglich ist, ist ein glückliches und – es klingt etwas abgedroschen, trifft es aber – erfülltes Leben. Es gibt ein hervorragendes Institut, zu dem ich gute Kontaktehabe. Es ist sehr gefragt, aber ich glaube, ich bekomme es hin, dass Sie, wenn Sie wollen, nach den Sommerferien mit der Psychoanalyse beginnen können. Es wäre gut für Sie.«
»Hm.«
»Wenn Sie das nicht möchten, werde ich meinen Bericht so abfassen, dass der Gutachter der Meinung sein wird, dass es weiterhin genügt, wenn Sie zu mir kommen. Und dann kommen Sie weiter zu mir.«
»Steht Ihnen nicht, aschockersilberbraun.«
»Ihnen dafür umso besser.«
»Müssen Sie eigentlich immer das letzte Wort haben?«
»Nein. Ich wollte nur zum Schluss nicht unerwähnt lassen, dass Sie gut aussehen ohne Schmuck und Schminke.«
»Na, besten Dank. Sie sähen übrigens besser aus mit Schmuck und Schminke. Aber … das wollte ich gar nicht sagen. Ich weiß selbst nicht, was ich manchmal sage.«
15
Marie überwindet ihre Telefonphobie, führt ein
denkwürdiges Telefonat mit ihrer Mutter, die gerade
Blutwurst brät, und wählt sogar noch Adams Nummer
In Zeitlupentempo tippte Marie die Nummer ihrer Mutter ins Telefon, legte wieder auf, tippte erneut und legte auf. Seit dem letzten Telefonat mit Adam und seit dieses Weib im Wochenturnus anrief, um seine Beschimpfungen auszukotzen, wollte Marie mit diesem Medium nichts mehr zu tun haben. Jeden Tag schrieb sie Martin auf, wen er weshalb anzurufen hatte. Schule, Kita, Werkstatt, Friseur, Verabredungen – Martin telefonierte sie ab. Und er staunte nicht schlecht, dieses eine von seinen vielen Ämtern offenbar bald abgeben zu dürfen.
»Was machst du mit dem Telefon?«, fragte er. »Willst du etwa jemanden anrufen?«
Marie hob ruckartig den Kopf, streckte ihren Rücken und fragte kokett: »Warum nicht?«
»Hallo? Wer ist denn da?«
»Ich bin’s.«
»Mariechen! Du bist das! Na, so eine Überraschung! Warte mal, ich koche gerade.«
»Was kochst du denn?«
»Blutwurst.«
»Iiih.«
»Ihr sollt nicht immer ›iiih‹ sagen! Ist doch was Feines, Blutwurst.«
»Martin hat gestern Zander gebraten. Der war gut.«
»Ja, Zander ist gut. Aber Blutwurst ist auch was Feines.«
»Na ja. – Also warum ich anrufe … Ich wollte dir was erz-«
»So mit Äpfeln und Zwiebelringen und Kartoffeln. Sehr gut ist das. Wie geht es euch?«
»Och, gut, nichts Neues.«
»Hast du denn was von Adam gehört?«
»Nichts.«
»Nike rief mich letzte Woche an.«
»Aha. Und? Was sagt sie?«
»Nichts weiter. Tja, es macht ihr wohl zu schaffen, dass sie bei Adam Hausverbot hat. Stimmt denn das überhaupt? Kann ich mir gar nicht vorstellen. Also, seiner eigenen Schwester Hausverbot … Kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
»Warum soll das nicht stimmen? Meinst du, Nike denkt sich so was aus? Ich meine, dieses Flintenweib hat Adams Freundeskreis komplett Hausverbot erteilt, warum nicht auch seiner Schwester? Mit mir spricht er nicht mehr, selbst zu seinem einzigen Kind hat er den Kontakt abgebrochen, also warum sollte er wohl Skrupel haben, Nike auch noch rauszuwerfen?«
»Hach, diese Frau muss furchtbar sein.«
»Na klar ist die furchtbar. Aber nicht nur sie. Sie ist doch nicht allein dafür verantwortlich, würde ich sagen. Das Hausrecht in seinem eigenen Haus hat doch mindestens zur Hälfte Adam. Oder?«
»Schon, aber eigentlich kann ich mir das bei ihm nicht vorstellen. Das entspricht nicht seinem Charakter. Allerdings – er ist sehr krank und hat vielleicht nicht die Kraft, dagegen vorzugehen. Doch, Marie, das darf man nicht ignorieren. Und außerdem … ist es nun mal schrecklich, von Frau und Kind verlassen zu werden. Er hat sicher furchtbar darunter gelitten. Das muss man schon alles in Rechnung stellen. Der Glücklichste wird er im Moment nicht gerade sein.«
»Natürlich muss man das. Und deine Empathie für die Männer dieser Welt in allen Ehren, ja, ganz toll ist die, andererseits hatte er noch nie die Kraft, sich um seine persönlichen Belange zu kümmern, höchstens kurzfristig – das Berufliche mal außen vor gelassen.«
»Wie meinst du
Weitere Kostenlose Bücher