Rosenpsychosen
das denn? Du kannst doch nicht sagen, dass er sich nicht um seine Belange gekümmert hat. Ihr habt doch wunderbar und ganz normal gelebt! Und behaupte jetzt nicht, er hätte nicht ausgezeichnet für euch gesorgt. Also darüber solltest du mal nachdenken.«
»Habe ich schon.«
»Was hast du?«
»Darüber nachgedacht.«
»Worüber?«
»Über …«
»Warte mal, ich muss eben den Herd abstellen. – So.«
»Du meinst also, weil alles so toll war, bin ich weg, ja? Ich sag dir mal was: Wenn Adam nicht täglich seinen Sex bekam, hat er drei Tage lang nicht mit mir gesprochen. Dann war er beleidigt. Beleidigt! Ein Mann! Ich meine, er hat sowieso nicht viel mit mir gesprochen. Immer wenn so etwas Ähnliches wie ein Gespräch aufkam, ist er mit einem Glas Nutella und einem langen Löffel vor die Glotze geflüchtet.«
»Also, das will ich alles gar nicht wissen.«
»Nein, das willst du lieber nicht wissen. Aber es läuft mal wieder auf das schön bequeme Klischee hinaus, dass die Frau schuld ist, wenn der Mann widerliche Dinge tut oder sagt, weil sie ihn nicht davon abgehalten hat. Wenn ein Mann fremdgeht, dann hat ihn seine Frau dazu getrieben. Wenn sie fremdgeht, ist sie eine Hure. Wunderbar!«
»Also, nun mach aber mal …«
»Wieso denn? Wieso soll ich einen Punkt machen? Ich will ja bestimmt keine Lanze für dieses Weib brechen, aberAdam immer in Schutz zu nehmen geht mir zu weit. Ist doch allein seine Entscheidung, zu Pasi zu stehen! Wer hat denn das Recht, ihm da hineinzureden? Ganz davon abgesehen, dass man Verantwortung hat, wenn man Vater ist, ganz egal, ob man verlassen wurde oder nicht. Und wer gibt denn seine besten Freunde auf? Kann man doch nicht alles dieser Hyäne in die Schuhe schieben! Er ist über fünfzig, also bitte.«
»Hm. Na ja.«
»Hm.«
»Was ich dich fragen wollte: Hast du eigentlich schon die ›Kinderjahre‹ von Fontane in deinem Bücherregal?«
»Nein, habe ich nicht. Gelesen habe ich sie schon, bei dir im letzten Sommer. Wieso?«
»Ach, weil ich so eine schöne Ausgabe gesehen habe. Die bringe ich dir mit.«
»Sehr schön. – Weißt du, wo ich neuerdings hingehe?«
»Na, wohin?«
»Zur Psychotherapie.«
»Wohin?«
»Zur Psychotherapie.«
»Zur Psychotherapie?«
»Ja.«
»Ach, du großer Gott. Wieso das denn?«
»Weiß nicht.«
»Weißt du nicht? Ja, was machst du denn da bei der Psychotherapie?«
»Na ja, Dinge aufarbeiten. Ich glaube, ich bin etwas runter mit den Nerven. Diese Sache mit Adam und was weiß ich noch alles nimmt mich offenbar mehr mit, als gut ist. Vielleicht muss da wirklich mal was raus.«
»Meine Güte. Das hätte uns mal jemand nach dem Krieg anbieten sollen. Den hätten wir glatt für unzurechnungsfähig erklärt. Wir hätten gar keine Zeit für so was gehabt!«
»Und weil das so war, darf auch jetzt niemand zur Psychotherapie gehen, oder wie? Hätte dir sicher gutgetan. Und Oma auch.«
»Hm. Na, ich weiß nicht. Aber wenn du meinst, dass es das Richtige für dich ist … Was macht dich denn außer der Sache mit Adam so nervös?«
»Nervös? Ach, so dies und das. Vielleicht das mit Papa und, na ja, so einiges.«
»Wie meinst du das schon wieder? Was mit Papa?«
»Wie, was? Hast du wirklich keine Ahnung?«
»Weißt du, vielleicht besprichst du das wirklich besser in deiner Psychotherapie.«
»Ja, natürlich. Wo auch sonst? Da fällt mir etwas ein: Warst du eigentlich stolz auf uns?«
»Willst du damit etwa sagen, dass ich nicht stolz genug auf euch gewesen wäre? Wie kommst du denn darauf?«
»Antworte doch einfach mal, nur so.«
»Hm. Ja natürlich. Jede Mutter ist stolz auf ihre Kinder! Also wirklich, du stellst Fragen …«
»Worauf zum Beispiel warst du denn stolz?«
»Na, auf alles Mögliche …«
»Zum Beispiel?«
»Hm … Als du diese Filmmusik auf der Geige eingespielt hast, einfach so aus dem Stegreif, da zum Beispiel. Und als du den Berliner Malwettbewerb gewonnen hast. Ach, es gibt eigentlich vieles. Dass die dich überhaupt noch genommen haben auf der Musikschule … Ich weiß noch, wie Herr Dinter mich nach deiner ersten Stunde zur Seite nahm und fragte, ob du wirklich noch nie zuvor eine Geige in der Hand hattest. Doch, doch, da war ich stolz. Danach waren wir ordentlich Eis essen, weißt du noch? Im Café Sibylle.«
»Na, klar weiß ich das. Waren wir da nicht immer nach der Musikschule?«
»Fast immer. – Ach, und dann: Als du in der zweiten Klasse warst, kam Frau Rehberg zum Elterngespräch zu uns nach Hause und
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