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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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schob sie hinein und ließ, Marie ignorierend oder nicht bemerkend, die schwarz glänzende Stahltür wieder ins Schloss fallen.
    Wenn ich mich tatsächlich umbringen will, dachte Marie, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, auf der Straße vor einer geschlossenen Bartür stehend. Die Tür war zu, hatte Latschen hinein- und Stringpumps draußen stehen gelassen. Verkehrte Welt oder das wahre Leben? Wenn Kleider keine Leute mehr machten, dann gute Nacht, konstatierte sie. Diogenes war schließlich lange tot.
    »Kommen Sie doch!«, flötete Helene, der hilfreiche Engel in Sandalen, in der wieder offenen Tür lehnend. »Dima, wir nehmen zwei Kir Royal, wenn du so nett wärst.«
    Marie war gepeinigt worden und empfand sich wie ein stümperhafter Klon ihrer selbst, was aber keineswegs ihre Geistesgegenwart schmälerte. »Für mich einen Kir, keinen Kir Royal! Und kippt da ja nicht euren ekligen Chardonnay rein, ja!«
    Einige klebrige Sekunden lang standen Helene und Marie wie zwei Schulkameradinnen, die sich nicht leiden können, nebeneinander – Marie bemüht, lässig und überlegen zu wirken, Helene lässig und überlegen. Sie berührten sich ganz leicht an den Oberarmen. Weder die eine noch die andere machte Anstalten, diesen einen Zentimeter, der genügt hätte, diese Berührung zu beenden, zur Seite zu treten.
    »Fauteuil oder Barhocker?«, fragte Helene.
    »Sessel, da, die Ecke«, entschied Marie ruppig. Sie wollte nicht mit einer Frau in Birkenstocks an der Bar sitzen. »So, Sie kennen also Dima, ja, gehen hier aus und ein, oder was?« Marie musste das jetzt sofort wissen und konnte nicht darauf warten, dass ihr das Geheimnis dieser Bekanntschaft im Laufe des Abends von selbst aufgehen würde.
    »Da sind Sie platt, nicht wahr?«
    »Nein, bin ich nicht. Also, warum kennen Sie den?«
    Helene lächelte Marie an, tat einen langsamen Wimpernschlag und deutete ein winziges Kopfnicken an, als wolle sie sagen: Siehst du, nun habe ich dich. »Dima war einmal zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle, als nämlich Fabian mit seinem Fahrrad auf den Straßenbahnschienen lag, die Straßenbahn in voller Fahrt noch zwanzig Meter entfernt. Dima setzte zu einem Hechtsprung an und riss meinen Sohn samt Fahrrad von den Schienen. Und hätte Dima nur eine halbe Sekunde lang gezögert, dann …«
    »Ah, ja. Und wo waren Sie bei dem Spektakel?«
    »Ich saß auf meinem Fahrrad und drehte mich gerade zu Fabian um.«
    »Klingt irgendwie unglaubwürdig.«
    »Es ist so wahr, wie es wahr ist, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir weder sehen noch verstehen.«
    Marie rollte angeekelt mit den Augen und rückte Gläser und Aschenbecher zurecht.
    »Warum müssen Sie gleich mit diesem Eso-Mist kommen? Jetzt, wo Sie mal die Chance haben, in einer vernünftigen Bar zu hocken und Kir zu trinken? Ach nein, Sie haben ja Kir Royal bestellt, ein Gernegroß-Getränk übrigens. Passt gar nicht zu Ihnen.«
    »So, was für Getränke passen denn zu mir?«
    »Tee. Vielleicht auch Kefir. Jedenfalls keine Gernegroß-Getränke. Leute, die Kir Royal bestellen, haben nur zu viel ferngesehen. Ein völlig bescheuertes Getränk. Na, egal, trinken Sie ruhig Kir Royal und danach einen Kir. Sie werden schon sehen, was vornehmer ist. Na ja. Und? Freuen Sie sich schon auf Hollywood?«
    »Sie werten sehr schnell ab, ist Ihnen das schon mal aufgefallen? Ich höre immer nur Negatives von Ihnen. Und sobald Sie einmal etwas positiv sehen, machen Sie es im nächsten Augenblick wieder kaputt. Wissen Sie, was ich bei Ihnen vermisse? Eine positive Konstante.«
    Marie ließ ihren Blick durch die Bar schweifen und stellte beruhigt fest, dass sie niemanden kannte. »Und Sie beantworten meine Frage nicht. Ob Sie sich auf Hollywood freuen? Waren Sie eigentlich im ›Lass Waxxen‹?«
    Helene hatte nicht vor, mit Marie über Olaf zu plaudern oder über ihre Pusteln. Das heißt, sie hätte schon gerne mal mit jemandem darüber gequatscht – wobei ihr wieder einmal auffiel, dass sie entschieden zu wenig Leute zum Quatschen hatte –, aber so viel Intimität gegenüber einer Patientin zuzulassen ängstigte sie.
    »Das soll jetzt hier nicht Thema sein. – Also gut, ich fahre nicht, habe einfach zu viel zu tun. Und dann die Kinder. Ja, und – die Kinder. Ist ja manchmal schon sehr stressig, kennen Sie ja.«
    Und schon hätte Helene sich gerne in den Hintern getreten. Was für ein dämliches Geblubber sie vom Stapel ließ, außerdem hatte sie doch ihre

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