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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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würde sie irgendwann doch in der Lage sein, die schönste aller Musiken einfach so zu hören und zu genießen. Nein, gab sie sich prompt zur Antwort, das wird nie der Fall sein. Die Musik muss weg.
    Marie zerbrach die CD über dem Restmülleimer und warf die Kaffeemaschine an. Die Kinder tobten bereits im Garten herum, wer weiß, wie lange schon. Und wer weiß, wie lange noch. Es war toll, ein überdimensioniertes Haus mit Garten und den See vor der Nase zu haben. Aber das war vorbei. Marie musste dringend eine neue Wohnung finden. Vielleicht in der Innenstadt. Die war zwar laut, aber lebendig. Die Straßenbahn würde wahrscheinlich direkt durch die Wohnung fahren und der ADAC-Hubschrauber wegen der Nähe zum Städtischen Krankenhaus permanent über dem Balkon stehen. Aber sie würden es gut haben, besser sogar. Andere Leute schafften das doch auch.
    Der Schmuck war weg, kein ›Requiem‹ mehr, ja, Marie würde sich bessern. Sie musste aufhören zu suchen. Ob es ihr gelingen würde – wer wollte das wissen? Oft schon hattesie vor diesem kleinen Leben resigniert und wie ein allein gelassenes Entenküken flatternd weitergesucht, niedlich anzusehen und jedermanns Beschützerinstinkte weckend, eine leichte Beute für alle möglichen Beschützer, die viel zu spät bemerkten, dass sie selbst die Beute waren und sich das falsche Entenküken ausgesucht hatten, eines, das sich in eine überteuerte Luxusjacht verwandelte, die in fremden Ehehäfen ankerte.
    Ja, sie würde anfangen mit einem eigenen Leben. Möglich, dass es nach hinten losging. Möglich aber auch, dass sie schnurstracks einen Weg geradeaus fand, wenn sie nur cool genug blieb. Angefangen hatte sie doch gerade schon. Endlich finden, was direkt vor ihr lag, sich endlich denjenigen zuwenden, die jetzt lebten und täglich hoffend und harrend an ihre Tür klopften. Und es spielte ja gar keine Rolle, ob der Versuch von Erfolg gekrönt war oder nicht. Vielleicht war das der Weg, den alle glücklichen Menschen gingen: nicht zu suchen, sondern zu finden; nicht zu fragen, sondern einfach zu antworten. Und irgendwann, wenn man gar nicht damit rechnete, saß man halt wie Siddharta am Fluss und war irgendwie glücklich.
    Gute Sache, fand Marie und nippte an ihrem Kaffee.

19
    Marie denkt trotz des katastrophalen Umstandes,
    dass ihre zu Besuch weilende Mutter zuvor Leber für alle
    gebraten hat, an Adam und fast all ihre Lieben
    Als es klingelte und Maries Mutter vor der Tür stand, war es zwölf durch.
    »Hat Martin dir gesagt, du sollst herkommen?«
    »Ach, iwo, gar nichts hat er gesagt, nur, dass er so eine Art Urlaub macht und du vielleicht ein bisschen Hilfe gebrauchen könntest. Und weil ich sowieso hier in die Ausstellung wollte und euch ja schon so lange nicht gesehen habe, dachte ich, ich setz mich in den Zug und gucke mal nach dem Rechten. Ich war schon auf dem Markt und habe uns frische Leber zum Mittag gekauft. Hm, die sah so gut aus, die mache ich uns jetzt mit Äpfeln und Zwiebeln und Kartoffelbrei. Wo sind denn meine beiden Kleinen?«
    Marie traute ihren Ohren nicht und verzog angewidert das Gesicht. »Du willst jetzt hier Leber braten? Na toll … Wir haben gerade gefrühstückt, und ich habe auch keine Putzfrau mehr. Ist jetzt irgendwie ganz schlecht mit Leberbraten hier. Ich meine, können wir die Leber nicht einfrieren, und du nimmst sie morgen oder so wieder mit?«
    Nachmittags, als die Kinder mit Oma zum Eisessen verschwunden waren, zog sich Marie die Gummihandschuhe an und brachte alles wieder in Ordnung. Sie stellte die halb volle Spülmaschine auf »Intensiv«, desinfizierte die Granitarbeitsplatte und wischte den Boden. Nun roch es nicht mehr nach Leber, sondern wohlig nach Großflughafentoilette, inder jemand unlängst Leber gebraten hatte. Nachdem sie auch die Zeitung, die ihre Mutter kurz in der Hand gehabt hatte, wieder auf ein verträgliches Außenmaß gefaltet und so auf den Tisch gelegt hatte, dass die Seiten ihres Rechteckes mit den Fensterrahmen harmonierten, setzte sie sich an den Flügel und spielte den »Hummelflug«.
    Sie patzte einige Male an Stellen, die nicht die schwersten im Stück waren, und schlug wütend den Deckel zu. Warum patzte sie ausgerechnet da, wo man es eigentlich leicht hatte? Das war es, und es zog sich wie ein roter Faden durch ihr Leben: Über die leichtesten Stellen kam sie nicht hinweg. Warum hatte sie mit Adam am liebsten Kunstflug gemacht, war trudelnd auf den Erdboden zugeschossen und hatte Loopings trainiert,

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