Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Führungs- und Managementstil erzählt Werner H. Spross in seinen Memoiren ebenso ungeschminkt, wie er über seine Freunde und Gegner in der Politik, der Bankenwelt und in ‹seinem› Grasshopper Club berichtet. Aufzeichnen liess Werner H. Spross seine Memoiren vom Zürcher Wirtschaftsjournalisten Karl Wild. Was ursprünglich als Geschenk zum fünfundsiebzigsten Geburtstag von Werner H. Spross an seine Freunde geplant war, gedieh zur hochspannend zu lesenden Biografie. Das Buch wurde nicht von Dritten recherchiert, sondern von der Hauptperson selbst in Ich-Form, mit Biss und ganz und gar ungefiltert erzählt. Sinn und Zweck dieses Buches ist es aber vor allem, junge Menschen anzuspornen, Unmögliches möglich zu machen.
Das Buch war im Jahr 2000 erschienen, als Werner H. Spross fünfundsiebzig Jahre alt war. Vier Jahre darauf starb er.
Ich überliess Adelina das Buch, damit sie ein bisschen darin lesen konnte. Mir selbst erschien das nicht erforderlich. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis hatte mir genügt, um mir einen guten Eindruck von Charakter und Selbstbild dieses Mannes zu verschaffen:
1. Die Armut
2. Die erste Million
3. Die goldenen Jahre
4. Ganz oben
5. Das Intermezzo in St. Moritz
6. Die wundersame Geldvermehrung
7. Die Jacht «Manana»
8. Politik aus dem Hintergrund
9. Ein Leben mit den Grasshoppers
10. Das Ende des GC -Trauerspiels
11. Das unverkrampfte Verhältnis zum Geld
12. Der Spross-Clan lebt
Während Adelina weiterlas, sinnierte ich, dieser Spross sei wirklich eine aussergewöhnliche Figur gewesen. Gerade für Schweizer Verhältnisse. Hierzulande verfolgt man nämlich gerne das Spargelprinzip, wenn es um herausragende Persönlichkeiten geht: Wer den Kopf zu weit aus dem Sand streckt, dem wird er abgehauen. Manchmal aber schafft es ein Spargel, zur vollen in ihm steckenden Grösse auszuwachsen.
Werner H. Spross hatte zu diesen gehört. Eine bodenständige Intelligenz, gepaart mit Weitblick und Vernetzungstalent und unterstützt von einer aussergewöhnlichen Willenskraft und Selbstdisziplin, hatte ihm zu einer beispiellosen Karriere verholfen. Und natürlich das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, nämlich in der boomenden Region Zürich zu den Zeiten einer goldenen Hochkonjunktur.
Wie zur Bestätigung blickte Adelina von ihrem Buch hoch und berichtete, sie habe gelesen, dieser Spross sei sein ganzes Arbeitsleben lang nie krank gewesen. Das sei sicher nicht nur sein eigenes Verdienst gewesen, kommentierte sie.
Diese Einschränkungen hinderten mich nicht daran, meinen inneren Hut vor dieser beeindruckenden Lebensleistung zu ziehen. Keiner hatte Spross an der Wiege gesungen, dass er eines Tages auf der eigenen Jacht Wirtschaftskapitäne und Politiker der obersten Klasse beherbergen würde. So was nötigt mir Respekt ab. Vielleicht auch, weil ich in mir selbst nie diesen unbändigen Willen zum Erfolg verspürt habe. Wenn ihn jemand nicht nur hat, sondern auch umsetzt, fasziniert mich das.
Dazu habe ich eine Vorliebe für knorrige Typen mit Ecken und Kanten, für eigenwillige, ja eigensinnige Menschen mit schrulligen, ja skurrilen Seiten. Davon hatte Spross reichlich. Adelina, deren Interesse an Fussball in letzter Zeit gewachsen war, hatte in den Kapiteln über den Grasshopper Club ein hübsches Beispiel entdeckt: Weil ihm irgendwas nicht passte, ging Spross jahrzehntelang an kein einziges Fussballspiel seiner geliebten Mannschaft mehr, verpasste GC aber weiterhin saftige Finanzspritzen. Diese Inkonsequenz fand ich beeindruckend.
Bevor ich mich darüber weiter auslassen konnte, piepste Adelinas iPad, das sie natürlich mitgeschleppt hatte. Wobei bei diesen leichten Dingern von Schleppen ja keine Rede sein kann. Jedenfalls wusste sie zu vermelden, einer ihrer Kumpels hätte das Tor geöffnet. So gut kannte ich ihren Jargon schon, um zu verstehen, dass jemand in den Mailserver von Spross eingebrochen war. Was wiederum bedeutete, dass wir uns dort nach verdächtigen Mails umsehen konnten.
Wir verständigten uns wortlos darauf, dass wir das lieber zu Hause machen würden als auf der Hirschen-Terrasse, wo wir vor ungebetenen Zeugen nicht sicher waren. Wir zahlten und stapften hoch zu meinem Häuschen, selbst für unsere Verhältnisse schnell. Die Neugier trieb uns an.
* * *
Als Erstes fiel uns Grizzly auf, der vor der Haustür sass und kläglich miaute, was sonst gar nicht seine Art ist. Dann entdeckten wir, dass die Tür einen Spaltbreit auf war. Ich war
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