Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
jetzt dem Hirschen und einigten uns auf eine gemeinsame Diagnose der zunehmenden Beliebtheit von, ja Liebe zu Gärten. Je mehr in den Städten die Entfremdung von der Natur, samt ihrer Rhythmen, zunimmt, desto stärker wächst das Bedürfnis nach jener Natur, die dem Menschen guttut. Indem sie ihm Schönheit und Harmonie schenkt, Ruhe und Verlangsamung, Wohlbefinden und Lebensqualität. All das kann ein Garten geben. Deshalb erfreuen sich Gärten zunehmender Beliebtheit.
Und damit auch Gartenbauer. Wer in einer Stadt wie Zürich das wachsende Bedürfnis nach Wohlfühloasen in Form eines Gartens auf hohem qualitativem Niveau befriedigt, wird fast zwangsläufig beliebt. Was die Erfolgsgeschichte von Spross erklären würde.
Nicht ganz, wie wir rasch feststellen mussten, als wir unser Gespräch auf der sonnenwarmen Terrasse des Hirschen fortsetzten. Von den günstigen Konstellationen und der wachsenden Nachfrage nach Gärten hätte jeder Gartenbauer profitieren können. Nur einer ist aber der grösste der Schweiz geworden. Nur einer hat eine solche Erfolgsgeschichte hingelegt wie Spross. Dafür musste es einen speziellen Grund geben.
Adelina fand, der sei nicht schwer zu erraten. Sie war bei ihren Internet-Recherchen über Spross naturgemäss immer wieder auf jenen Mann gestossen, der das Unternehmen zu dem gemacht hat, was es heute ist: Werner H. Spross, den Gärtner der Nation. Allerdings hatte sie kaum vertiefendes Material über diese legendäre Figur gefunden und fragte mich, ob ich mehr wisse.
Sicher, ich habe in Zürich studiert, dort sogar ein paar wenige Jahre gelebt und danach immer grob verfolgt, was in dieser Stadt los war. So waren zwangsläufig einige Informationsfetzen über Werner H. Spross in meinem Hinterkopf abgelagert. Viel war es nicht. Selfmademan. Erfolgreicher Unternehmer. Schwerreich. Steckt Millionen in den Fussballclub GC .
Es wurde Zeit, den Hintergedanken zu realisieren, den ich beim Vorschlag, in den Hirschen zu gehen, gehabt hatte. Es gab eine vage Erinnerung in meinem Gehirn, wonach ich mich mal mit Walter, dem Hirschen-Wirt, über diesen Spross unterhalten hatte. Wenn ich mich nicht täuschte, hatte Walter damals im bewundernden Ton von Spross gesprochen, er mochte erfolgreiche Typen, die den Kontakt zum Volk behielten, ebenso wie ihre Ecken und Kanten.
Mir war auch, Walter habe damals erzählt, er habe sich die Autobiografie von Werner H. Spross besorgt, obwohl er kaum zum Lesen ganzer Bücher käme. Sicher war ich mir dieses Teils meiner Erinnerungen nicht, vielleicht war der Wunsch der Vater des Gedankens. Das Rätsel löste sich, indem ich Walter direkt nach dem Buch fragte, als er das nächste Mal nach seinen Gästen auf der Terrasse sah. Er hatte das Buch tatsächlich gekauft, er hatte es noch, und zum Glück auch in seiner kleinen Bibliothek im Hirschen selbst. Bereitwillig anerbot er sich, es für mich zu holen, oder besser für Adelina, wie er sich einen kleinen Flirtversuch nicht verkneifen konnte.
Bald hatten wir das schmale Buch in den Händen. Auf dem Titelblatt schaut einem ein ziemlich streng blickender älterer Herr direkt in die Augen. Neben seiner Stirn schwebt das Logo seiner Firma, ein goldenes Platanenblatt. Darüber prangt in derselben Farbe der Titel, der allein schon Bände spricht, wie Adelina fand: «Mein Weg nach ganz oben». Und für alle, die weder aus dem Titel noch aus dem Porträt schliessen können, wer da spricht, steht am unteren Bildrand ziemlich klein die Auflösung: Werner H. Spross. Gärtner der Nation.
Auf der Rückseite des Buchs fand sich eine Zusammenfassung seines Inhalts:
Vor 55 Jahren übernahm der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Werner H. Spross in Zürich von seinem Vater die überschuldete Gartenbaufirma mit sechs Angestellten, einem klapprigen Dreirad-Automobil und zwölf alten Holzkarretten. Vier Jahre später waren die Schulden abbezahlt, mit dreissig hatte Spross die erste Million auf der Seite. Heute ist der ‹Gärtner der Nation› in seinem Kerngeschäft die Nummer eins im Land und gemäss Einschätzung des Wirtschaftsmagazins ‹Bilanz› gegen eine halbe Milliarde Franken schwer, was, so Werner H. Spross, eher noch untertrieben sei.
Über seinen spektakulären Werdegang, seine schillernde Tellerwäscher-Karriere im Gartenbau, in der Immobilienbranche und im Finanzgeschäft ganz nach amerikanischem Vorbild, sein ganz und gar unschweizerisch offenes Verhältnis zum Geld und seinen eigenwilligen
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