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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sind in einer heilen ländlichen Welt und weitab vom Schuss. Dachte ich.
    Als wir losmarschierten, strich Grizzly durch meinen kleinen Garten, der leuchtend graue Kater, der eigentlich meinen Nachbarn gehört, aber mich – und längst auch Adelina – als Hauptzweibeiner adoptiert hat. Ich fragte mich, und dann Adelina, ob so eine Katze einen Unterschied zwischen dem Garten und dem direkt daran angrenzenden Waldrand vornehmen könne. Und schon hatten wir ein Gesprächsthema für die zehn Minuten Fussmarsch zum Hirschen.
    Für Adelina war klar, dass Gärten wie meiner, die direkt an die Natur angrenzen, einen Sonderfall bilden. So wie Gärten auf dem Land generell etwas anderes sind als Gärten in der Stadt. Wenn jemand auf dem Land einen Garten anlegt, sucht er nicht in erster Linie Natur. Die findet er ja, mehr oder weniger gezähmt, in seiner unmittelbaren Umgebung reichlich. Er will sich mit dem Garten allenfalls einen speziellen Zusatzwunsch erfüllen, etwa jenen nach schönen Blumen, selbst gezogenem Gemüse oder einem gemütlichen Sitzplatz. In der Stadt dagegen, fuhr sie fort, ist der Garten immer in erster Linie Naturersatz. Man holt sich ein Stück von dem, was sonst weit weg ist, in unmittelbare Nähe.
    Das fand ich grundsätzlich richtig, doch fragte ich mich und Adelina, ob man wirklich von Naturersatz sprechen könne. Viele stolze Gartenbesitzer und die meisten Gartenbauer würden sagen, es handle sich beim Garten um ein Stück Natur. Was sicher nicht falsch ist.
    Wir passierten gerade das Grundstück von Anton, den wir seit unserem ersten Fall ganz gut kennengelernt hatten. Er hatte darauf zusammen mit seiner Frau ein zerfallenes Bauernhaus abgerissen und ein neues Haus gebaut. Auch der Garten darum herum wurde völlig neu gestaltet. Nur ein altehrwürdiger Ahornbaum blieb stehen.
    Der Garten selbst war nicht spektakulär. Viele neue Büsche waren gepflanzt worden, dazwischen erstreckte sich Rasenfläche. Das Auffälligste war der Zaun zum Strässchen hin, der in erster Linie als Sichtschutz dienen sollte und deshalb aus dünnen geflochtenen Brettern bestand. Gegen die angrenzenden Wiesenflächen hin war der Garten mit einem einfachen Lattenzaun abgegrenzt. Den braucht es in dieser Gegend, weil sonst eine Invasion der direkt daneben grasenden Kühe im Garten unvermeidlich wäre.
    Dieser Zaun brachte mich auf die Lösung unseres Dilemmas. Es ging beim Garten nicht um die Frage, ob Natur oder nicht. Es ging um die Abgrenzung zwischen zwei verschiedenen Arten von Natur. Der Garten verkörpert jenen Teil der Natur, der dem Wohle des Menschen dient. Darum muss man ihn abgrenzen vom anderen, wilderen und bedrohlicheren Teil der Natur.
    Adelina, die Bibelfeste, blickte weit zurück bis zur Schöpfungsgeschichte, um den Faden fortzuspinnen. Das Urbild jedes Gartens, erklärte sie, sei ja der Garten Eden, das Paradies. Daraus wurden Adam und Eva in eine andere Natur vertrieben, in eine, in der man unter Schmerzen gebären und im Schweisse seines Angesichts Nahrung beschaffen muss. Jeder Garten erinnert an das verlorene Paradies. Gärten werden nicht ohne Grund gerne als Gartenparadiese angepriesen. Deshalb sind Gartenbauer und Gärtner so beliebt. Sie rekonstruieren für uns gleichsam den Garten Eden.
    Leicht eingeschüchtert ob so viel Eloquenz wandte ich ein, das mit der Liebe zum Garten müsse nicht automatisch sein. Meine ersten Erinnerungen an Gärten aus Kindheit und Jugend sind keineswegs durchwegs positiv. Die vielen Stunden des Jätens, zu denen wir Kinder abkommandiert wurden, empfand ich eindeutig mehr als Pflicht denn als Kür, ich hätte mir spannendere und beglückendere Zeitvertreibe vorstellen können.
    Adelina hakte nach und fand bestätigt, was sie schon vermutet hatte: Unser Garten war in erster Linie ein Gemüsegarten gewesen, aus dem sich die Familie so weit es ging selbst versorgte. Das, befand sie, sei eher eine Art Bonsai-Landwirtschaft gewesen, und damit alles andere als ein Wohlfühlgarten. Falls ich es noch nicht gemerkt hätte: Die Zeiten, in denen Gärten erzwungene Selbstversorgung bedeuteten, sind, wenigstens in unseren Breitengraden, längst vorbei.
    Wie so oft, hatte sie recht. Manchmal merke ich einfach, dass meine Erinnerungen länger zurückreichen als ihre. Zurück in Zeiten, die mit der Gegenwart wenig bis gar nichts zu tun haben. Weshalb meine Gartenerinnerungen für das Philosophieren über die heutige Lust an Gärten von beschränkter Relevanz sind.
    Wir näherten uns

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