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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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richtigen Masses. Sentimentalität für die Pflanzenwelt sei in der Gartenkultur so schädlich wie fehlender Respekt vor dem lebendigen Material, mit dem man es dabei zu tun hat. Gartenkultur wird immer im Spannungsfeld zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit ihren Platz finden müssen.
    Wir beschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen und den lau zu werden versprechenden Abend auf der Terrasse des Hirschen zu verbringen, um von dort aus das Feuerwerk auf dem gegenüberliegenden Hügel namens «Hohe Buche» zu betrachten. Aus Anlass des fünfhundertjährigen Jubiläums des Beitritts des Kantons Appenzell (damals noch ungetrennt) zur schweizerischen Eidgenossenschaft hatten sich die umliegenden Gemeinden, die sonst jedes Jahr stur ihre eigene Feier veranstalten, zu einer gemeinsamen Feier auf dem Hügel zusammengerauft.
    Wir waren gerade am Bestellen einer neuen Runde. Natalie Spross hatte sich entschlossen, im Hirschen zu übernachten, wenn auch nicht im fraglichen Zimmer. Und Karl konnte sich zur Not von einer Polizeistreife nach Hause fahren lassen. Promillegrenzen gab es also keine mehr, und wir hatten ja auch was zu feiern.
    Da klingelte Karls Handy. Er sah auf dem Display nach dem Absender des Anrufs und teilte uns mit, es handle sich um einen Zürcher Kollegen, ehe er das Gespräch annahm. Er hörte einen Moment lang zu und schaltete dann den Lautsprecher ein. Ausser uns war niemand auf der Terrasse, der hätte mithören können.
    Wir erfuhren, dass Amanda Raggenbass kurz zuvor in ihrer Zelle tot aufgefunden worden war. Nach ihrer Verhaftung am Vorabend hatte der diensttuende Arzt keine Suizidgefahr diagnostiziert. Das war eine Fehldiagnose gewesen.
    Karls Kollege las die kurze Abschiedsnotiz vor, die Amanda Raggenbass hinterlassen hatte:
    «Meine Eltern haben mir beigebracht, dass man immer eine tödliche Pille mit sich tragen soll, für alle Fälle. Zu ihren Zeiten war es Zyankali, heute gibt es ebenso wirkungsvolle, aber weniger schmerzhafte Stoffe. Ich habe diese Lektion nie vergessen. Niemand wird ernsthaft erwartet haben, dass ich Jahre in einem Gefängnisloch absitze. Für meine Taten übernehme ich die volle Verantwortung, bis zum konsequenten Ende.»
    Unsere Festlaune erlitt durch diese Information einen Dämpfer. Vor allem jene von Natalie Spross. Ihr musste blitzschnell klar geworden sein, was diese Mitteilung bedeutete: Amanda Raggenbass hatte das Geheimnis um den Aufbewahrungsort der Platahorn-Sprossen mit ins Grab genommen. Wo auch immer sie waren, sie würden dort elendiglich verdursten und vermutlich nicht einmal entsorgt werden. Vom Verlust sprossender Verdienstmöglichkeiten gar nicht zu reden. Jetzt musste man wieder von vorne anfangen. Vielleicht wäre man eines Tages wieder so weit, aber das würde Jahre dauern. Vorderhand werden wir also keine Platahorn-Bäume in den Strassen von Zürich sehen.
    Natalie Spross selbst meinte, das sei jetzt nicht so wichtig. Viel wichtiger war ihr, und uns, etwas anderes. Die Erpresserin von Spross und Mörderin ihrer eigenen Schwester, die wir alle unter grossem Einsatz von Schlauheit, Mut und mit viel Glück zur Strecke gebracht hatten, hatte sich der irdischen Gerechtigkeit entzogen. Wir waren uns einig, dass dies eine unbefriedigende Note in das Ende einer Geschichte einbrachte, die wir ansonsten zur allgemeinen Befriedigung aufgelöst hatten.
    Aber, sinnierte ich lautlos, während ich einen kräftigen Schluck nahm, um den unbefriedigenden Nebengeschmack hinunterzuspülen, vielleicht ist das Leben einfach so. Nur im Krimi finden am Schluss alle Fragen eine Antwort, und nur dort werden die Täter ihrer gerechten Strafe zugeführt, sodass die Welt wieder in Ordnung ist. Das Leben dagegen ist wie ein Garten: Ein Rest von unbefriedigendem Unkraut bleibt immer übrig.

Epilog
    Je schöner der Garten ist,
    desto mehr schöne Plätze
    für Rosen
    ergeben sich von selbst.
    Karl Foerster
    In der hintersten Ecke eines verwunschenen Friedhofs liegt ein Doppelgrab. Auf der linken Hälfte steht ein Rosenbäumchen mit schneeweissen Blüten, auf der rechten ein solches mit rosenroten. Darunter finden sich zwei einfache Steintafeln, auf denen die Namen und Daten der hier Begrabenen stehen: Graziella Rosengarten, 1961   –   2013, sowie Amanda Rosengarten, 1963   –   2013.
    Besucher, die zufällig vorbeikommen, laben sich an der Schönheit und dem Duft der Rosen und fragen sich, ob es sich bei den beiden um Schwestern gehandelt habe und unter welchen Umständen

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