Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
seiner cleveren Freundin Adelina von seinem Hochsitz auf dem Tannenhügel aus schon den einen oder anderen Kriminalfall gelöst hatte. Ich liess Sie überwachen, und sobald ich erfuhr, dass Sie Frau Spross in Zürich besuchten, schickte ich jemanden auf den Hügel, um einen Einbruch vorzutäuschen. Und Sie so ein bisschen einzuschüchtern. Hat ja auch geklappt.
Leider nicht genug, um zu verhindern, dass Sie auf die dämliche Idee mit der verdeckten Ermittlung in meinem Garten gekommen sind. Ja, aber sicher habe ich Sie sofort erkannt, als Sie mich in meiner verborgenen Leseecke gefunden haben. Ich bin ja nicht dumm, natürlich habe ich mir Bilder von Ihnen zeigen lassen.
Ich gebe zu, einen winzigen Moment lang hat mich Ihr Auftauchen ernsthaft beunruhigt. Damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Mir war blitzschnell klar, dass das Gefahr bedeutete, dass Sie schon mehr herausgefunden hatten, als mir lieb sein konnte. Selbst wenn es sich bei Ihren Schlüssen nur um Vermutungen handelte, war die Bedrohung zu gross. Ich musste Sie beide eliminieren. Eine erste Gelegenheit, dies glaubwürdig zu tun, haben Sie mir selbst geboten, indem Sie sich an einem Ort aufgehalten haben, wo Sie nichts zu suchen hatten. Die Geschichte mit dem Einbruchsversuch hätte man mir glatt geglaubt.
Schade, dass es nur fast geklappt hat. Aber knapp daneben ist auch daneben. Und das nur, weil ich Sie, Adelina, unterschätzt habe. Ein unverzeihlicher Fehler, wie ich jetzt weiss.
Aber, wissen Sie was, ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist. Auf jeden Fall ist das helle Schneeweisschen in mir darüber froh. Es weiss, dass meine dunkle Seite so schnell nicht wieder Raum zur Entfaltung bekommen wird. Auch wenn das Ganze für die Katz war. Meinen Rache-Dämon konnte ich durch das Blutopfer zum Schweigen bringen. Dafür habe ich jetzt einen wachsenden Schuld-Dämon am Hals. Und ich weiss, dass ich diesen Dämon nicht zum Schweigen bringen kann. Nie mehr.
So, jetzt können Sie die Polizei rufen.»
Nationalfeiertag
Jeder Garten
ist besser
als kein Garten.
Oliver Sacks
Am nächsten Tag war nicht zu übersehen, dass es 1. August war, das Datum, an dem die Schweiz ihren Nationalfeiertag begeht, als arbeitsfreien Feiertag. Das war nicht immer so. Früher regelte das jeder Kanton für sich. Mancherorts war der ganze Tag arbeitsfrei, an anderen nur der Nachmittag, und an gewissen Orten wurde ganztags gearbeitet, die wichtigen Feiern fanden ohnehin erst abends statt. Erst 1993 stimmte das Volk einem Volksbegehren zu, das den 1. August zum landesweiten einheitlichen Feiertag machen wollte. Mit der höchsten Zustimmung übrigens, die je ein Volksbegehren in einer Abstimmung erzielte.
In den Blumenkästen auf der Terrassenbrüstung des Hirschen steckten zur Feier des Tages Fähnchen, die in einem willkommenen abkühlenden Wind flatterten, vorwiegend Schweizer Fahnen mit dem weissen Kreuz im roten Feld. Dazwischen steckten auch einige Fahnen mit dem Wappen des Kantons Appenzell Ausserrhoden, einem aufrecht stehenden schwarzen Bären vor weissem Grund, wobei Zunge, Krallen und Lendenbereich des Bären blutrot gefärbt sind.
Dieser Bär erinnerte die kleine Runde, die auf der Hirschen-Terrasse die unvergleichliche Aussicht über die wogenden Hügel bis hin zum Säntis genoss, an jenen uns bis heute namentlich nicht bekannten Mann, der in der Geschichte von Rosenrot und Schneeweisschen eine so unheilvolle Rolle gespielt hatte. Nicht im Märchen, aber in der Wirklichkeit.
Die kleine Runde, die bequem an einem Tisch Platz fand, bestand aus vier Personen. Wir feierten den erfolgreichen Abschluss des Falls Rosenrot, wie wir ihn intern längst nannten. Neben Adelina und mir gehörte Karl Abderhalden dazu. Und Natalie Spross, die es sich nicht hatte nehmen lassen, uns persönlich zu gratulieren. Und gleich die versprochene Belohnung mitzubringen.
Natürlich sprachen wir ausgiebig über das Geständnis von Amanda Raggenbass, geborene Rosengarten, von dem die beiden anderen mittlerweile auch Kenntnis hatten. Und über sie selbst. Alle waren wir erschüttert über die menschlichen Abgründe, die sich in dieser gespaltenen Persönlichkeit aufgetan hatten.
Nicht ganz einig waren wir uns, wie weit diese Person nebst allem Abscheu über ihre Taten auch so etwas wie Mitleid verdiente. Sicher, sie war intelligent genug, um genau zu wissen, was sie tat. Auf Unzurechnungsfähigkeit würde sie sich kaum berufen können. Und doch war in ihrem Geständnis, das Frau
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