Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
deutlicher, dass sich Adelina auf einem guten Weg befand. Der Aufenthalt im polnischen Kloster hatte ihr gutgetan. Sie hatte dort realisiert, dass ihr die Risiken des illegalen Hackens zu gross geworden waren und dass sie den damit verbundenen Nervenkitzel nicht mehr brauchte.
Ihre Talente für das Recherchieren und Verknüpfen von Informationen und Wissen wollte sie fortan auf legalem Wege nutzen. Zunächst tat sie das in Form einer Reihe von Aufträgen für polnische Nichtregierungsorganisationen, die zwar schlecht bezahlt waren, ihr aber so viel Aufmerksamkeit in der Szene eintrugen, dass bald lukrativere Aufträge von kommerziellen Unternehmen eintrafen.
Was ich noch nicht wusste, war, dass Adelina vor Kurzem dank ihrer alten Verbindungen zur Schweiz von einem auf die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität spezialisierten Unternehmen in St. Gallen das Angebot bekommen hatte, sie fest einzustellen.
Das allerdings wollte sie nicht. Ihr war ihre Unabhängigkeit zu wichtig, was ich gut nachfühlen konnte. Stattdessen hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, dass sie einige grössere Aufträge als freie Mitarbeiterin übernehmen sollte. Und weil dazu persönliche Besprechungen unabdingbar waren, war sie jetzt für einige Wochen in die Schweiz gereist und wollte bei mir unterkommen, bis sie eine passende Bleibe gefunden hatte.
Sie habe jetzt endgültig die Seiten gewechselt, fasste Adelina ihren Bericht zusammen, und stehe nun auf der Seite der Guten. Allerdings, so fügte sie hinzu, ehe sie das Thema mit einer resoluten Handbewegung abschloss, sei sie sich nicht mehr so sicher, ob die Grenze zwischen den beiden Seiten wirklich so eindeutig und klar verliefe.
Ich wollte nicht weiter nachbohren, um die gute Stimmung nicht zu gefährden, und fragte sie deshalb vorsichtig nach ihrem Privatleben. Nein, einen festen Lebenspartner gebe es nicht, meinte sie lachend, dafür habe ihr im letzten halben Jahr schlicht die Zeit gefehlt, und der Richtige sei ihr auch nicht einfach so über den Weg gelaufen.
Ich registrierte, dass mir diese Mitteilung ein Gefühl von Erleichterung verschaffte, was mich wiederum ziemlich verwirrte. Nur dieser inneren Verwirrung war es zuzuschreiben, dass ich mich stammelnd dafür entschuldigte, dass ich alter Mann mich nach etwas erkundigt hatte, was mich eigentlich gar nichts anging.
Adelina blieb einen Moment lang stehen, betrachtete mich von oben bis unten und meinte dann, so alt sei ich mit meinen etwa sechzig Jahren, wenn sie sich nicht irre, nun auch noch nicht. Zudem hätte ich mich, fügte sie mit einem meine Sinne vollends verwirrenden Lächeln hinzu, damals oben auf dem Hügel gar nicht alt angefühlt.
Ich spürte, wie ich bei diesem Kompliment errötete. Jene Sternstunde oben auf der Hügelkuppe neben meinem Häuschen in der letzten Nacht vor ihrer Abreise war mir das ganze letzte Halbjahr immer präsent gewesen. Dass sich die so viel jüngere Adelina, die nur etwas mehr als halb so viele Lenze erlebt hatte wie ich, daran erinnerte, gab mir beinahe den emotionalen Rest. Ich hoffte inständig, dass Adelina meine rote Gesichtsfarbe und die kleinen Schweissperlen dem jetzt wieder ziemlich steil werdenden Waldsträsschen und dem schweren Rucksack zuschreiben würde.
Sie liess sich jedenfalls nichts anmerken und plauderte munter über unverfänglichere Themen wie die bei uns beiden anhaltende Autolosigkeit. Schon ihre Grossmutter habe gesagt, der kürzeste Weg zur Gesundheit sei der Fussweg, was sie nur bestätigen könne, doch vor allem empfände sie das Leben ohne Auto als befreiend, als Abwerfen von überflüssigem Ballast.
Ich konnte ihr nur zustimmen, war aber nicht ganz unfroh, als wir an der Abzweigung ankamen, von der aus ein fast ebener Waldpfad den Hang entlang bis zum letzten kleinen Aufstieg zu meinem Häuschen führt. Adelina erinnerte sich an den knallgelben Regenschirm, der auch bei Nebel oder Dunkelheit dafür sorgt, dass ich diese letzte Abzweigung erwische, und freute sich darüber, dass manche Dinge bleiben, wie sie sind.
Weil wir gemütlich gegangen waren, hatte der Aufstieg vom Kaien fast eine halbe Stunde gedauert. Ich war froh, endlich den schweren Rucksack abstreifen zu können. Adelina begann gleich, sich häuslich einzurichten, und ich bereitete uns ein ordentliches Appenzeller Frühstück zu, das wir mit Appetit genossen.
Zu den Dingen, die geblieben waren, gehörte unsere gemeinsame Vorliebe für ein gut gewürztes Pfeifchen. Das Wetter war für die
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