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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Hügel sehen. Inzwischen war auch der Kirchturm vom schmucken Dorf Wald im Nebel versunken, und ich kam nicht umhin, in die trübe Suppe einzutauchen. Zum Glück kannte ich all diese Wege gut, sodass ich trotz der jetzt kurzen Sichtdistanz keine Orientierungsprobleme hatte. Darüber war ich froh, hatte ich doch genug zu tun, auf den Weg direkt vor mir zu achten, um nicht auf einer der hier klatschnassen Baumwurzeln auszurutschen.
    Vorbei am letzten Hof des Weilers Hofguet führte der holprige Pfad durch ein kurzes Waldstück Richtung «Nord», was nicht etwa die Himmelsrichtung bedeutete, sondern einen Flurnamen. Ein kurzer, steiler Abstieg noch über ein rutschiges Steinsträsschen. Ich war fast da, und das Häuschen, in dem Hans lebte, tauchte aus den Nebelschwaden auf.
    Dieses Häuschen war, wie ich von ihm erfahren hatte, vor Jahrzehnten, als es noch keine Zonenpläne und Bauordnungen gab, als Ferienhaus gebaut und von den Besitzern immer liebevoll gepflegt und ausgebaut worden. Es war im klassischen Appenzeller Stil errichtet, erstreckte sich über drei Stockwerke und besass eine Vorderfront aus Holzschindeln. Als die Besitzer alt wurden und den Weg aus dem (aus Appenzeller Sicht) fernen Zürich nicht mehr schafften, suchten sie nach einer Lösung. Niemand aus der Familie wollte das kleine Haus übernehmen, doch einfach an einen Fremden verkaufen wollten sie auch nicht, dafür hingen sie zu sehr daran. Deshalb beschlossen sie, es zunächst zu behalten, es aber wenn möglich zu vermieten, damit es nicht ganz ungenutzt in der Gegend herumstünde.
    Gewundert hatte es mich nicht, dass sich niemand um das kleine Haus riss, denn es liegt wirklich am Arsch der Welt. Die kleine, immerhin asphaltierte Zugangsstrasse hat ziemlich ruppige Steigungen und liegt vor allem so im Schatten, dass sie im Winter oft vereist bleibt. Erst nach rund zwei Kilometern stösst sie auf die Hauptstrasse zwischen Wald und Trogen, und erst dort ist auch die nächste Bushaltestelle, ausgerechnet jene namens «Bleiche», die unserem ersten Fall den Namen gegeben hat.
    An dieser Stelle meiner Erzählung hob Adelina deutlich sichtbar die Brauen, was ich als Aufforderung interpretierte, endlich zur Sache zur kommen.
    Vorher aber musste ich doch noch ergänzend erklären, warum die Lage des Häuschens von Hans so unattraktiv ist: Man hat nämlich fast keine Aussicht. Die Hinterfront liegt direkt am Waldrand, und auf zwei weiteren Seiten versperrt der Wald jede Aussicht. In der einzig offenen Richtung sieht man nur den Abhang des Hügels, der sich am Standort des Häuschens passenderweise genügend abflacht, um darauf bauen zu können.
    Die schmale Zugangsstrasse führt danach nur noch wenige Meter weiter und endet mitten im Wald. Danach kommt noch einmal eine Lichtung mit einem Ferienhaus darauf, dann folgt nur noch ein Fussweg. Keine Spur also von Durchgangsverkehr.
    Doch genau das, was andere davon abgehalten hätte, sich dort einzunisten, war es, was das Häuschen für Hans attraktiv machte. Er befände sich, so hatte er mir gestanden, seit geraumer Zeit irgendwo im Niemandsland zwischen Lebensmelancholie und Depression und brauche deshalb einen Platz weit weg, an dem er sich verkriechen und sich seinen Selbstheilungskräften überlassen könne, eine Rückzugshöhle also. Und die hatte er gefunden. Hans sass, ganz im Gegensatz zu mir, in seinen besseren Phasen gerne in den örtlichen Wirtshäusern herum und hatte so von den Vermietungsplänen der Zürcher Hausbesitzer gehört. Man war sich schnell einig geworden, nicht zuletzt wegen des nicht gerade stürmischen Andrangs auf das Mietobjekt. So war Hans vor einigen Wochen eingezogen und fühlte sich, wie ich von ihm selbst und gemeinsamen Bekannten gehört hatte, dort so wohl, wie es seine Seelenlage eben erlaubte. Und ich würde bald zum ersten Mal sehen, wie er sich in seiner Höhle eingerichtet hatte.
    Einen Klingelknopf gab es nicht. Also klopfte ich an die Haustür. Keine Reaktion. Ich klopfte erneut, diesmal deutlich energischer. Wieder nichts. Nur eine Stille, die langsam einen beängstigenden Unterton annahm. Als auch beim dritten Klopfen keine Reaktion erfolgte, drückte ich die Türklinke. Die Tür war unverschlossen. Ich betrat das kleine Haus.
    Natürlich stiess ich mir auch hier erst mal den Kopf an einem Querbalken an. Diese niedrig gebauten Appenzeller Häuser sind einfach nichts für meine Körperlänge. Für Hans, dachte ich noch, müsste es erträglicher sein. Er ist fast

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