Rosenrot, rosentot
konntest mir nicht vertrauen. Und dir kam überhaupt nicht in den Sinn, dass ich vielleicht auch jemanden zum Reden brauchen könnte. Nein, du hast niemandem vertraut. Hast dich vollkommen abgeschottet. Die meiste Zeit über warst du wie ein verwundetes Tier, hattest vor jedem Angst. Wie erbärmlich das war! Und es war traurig, dich so zu sehen. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
Die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Es war nicht Charlotte, die mich mit diesem Satz in den Wahnsinn trieb. Natürlich nicht. Es war Toby.
Charlotte blinzelte mich besorgt an. »Nora?«
»Ja?«
»Bist du wütend?«
»Nein«, hauchte ich.
»Ich hätte dich wohl nicht als ›verwundetes Tier‹ bezeichnen dürfen – oder als ›erbärmlich‹.« Charlottes Stimme klang eindeutig müde. »Du bist wütend.«
»Nein, ganz und gar nicht.« Ich stand wieder auf. »Ich weiß doch, was ich fühle.«
»Entschuldige.«
Nach wie vor hielt sie ihre Augen geschlossen, sie schien gar nicht zu bemerken, dass ich das Zimmer verließ.
»Du musst dich nicht entschuldigen.«
»Ich bin völlig im Eimer, Nora. Total erledigt. Ich kriege nicht mal mehr mit, was ich sage. Ich ...«
»Charlotte«, unterbrach ich sie. »Dir muss nichts leidtun. Aber ich glaube, ich sollte noch mal kurz wegfahren.«
»Ja, kein Problem. Ich brauche sowieso ein Nickerchen. Versprich mir nur, dass du nicht sauer bist.«
»Ich bin nicht sauer«, sagte ich leise.
Dann beobachtete ich von der Tür aus, wie sie sich in ihr Kopfkissen kuschelte und ihr Gesicht zur Wand drehte. Bereits fünf Minuten später saß ich in meinem Wagen und war auf dem Weg in die Stadt.
Siebzehn
27. Mai 2006
Ich parkte beim »Dunkin’ Donuts« und ging zu Fuß hinüber zu »Deans’ Auto Body«.
Toby und ein anderer Mann arbeiteten in der Werkstatt, jeder unter seinem Auto.
»Hi, Toby«, rief ich über den Lärm des Akkuschraubers hinweg, mit dem der andere Mann gerade hantierte.
»Hey, Nora«, grüßte Toby und lugte unter einer blaugrünen Limousine hervor.
»Ich muss mit dir reden. Über Brian Pilkingtons Unfall.«
Toby ließ seinen Arm sinken und tippte mit dem kleinen Schraubenschlüssel in seiner Hand gegen die Arbeitshose. »Was ist damit?«, fragte er stirnrunzelnd.
»Du weißt schon ... darüber, was wirklich passiert ist.«
Toby sah hinauf zu dem Wagen über sich, als könnte der uns belauschen.
»Ist es denn sehr eilig? Ich habe einen Kunden, der auf den hier wartet.«
»Na ja ...«
Inzwischen klopfte Toby den Schraubenschlüssel so fest gegen sein Bein, dass es wehtun musste. »Was ist eigentlich los, Nora?«
Der Akkuschrauber verstummte, und der andere Mann sah zu uns herüber.
»Alles klar, Toby?«, fragte er.
»Ja«, versicherte Toby, dann wandte er sich wieder mir zu. »Geh in den Warteraum. Ich komme nach, wenn ich das hier fertig habe.«
Zwanzig Minuten vergingen, bis er seinem Kunden den Wagen zurückgegeben hatte. Dann führte er mich nach draußen, hinter das Gebäude.
»Du bist diejenige, die aus dem Nichts wieder hier aufgetaucht ist«, begann er. »Also redest du vielleicht besser als Erste.«
Ich holte tief Luft. »Du wusstest von Brians Unfall, stimmt’s?«
»Was wusste ich?«
»Dass Rose, Paul und Aaron Dwyer damit zu tun hatten.«
Toby wollte mich finster ansehen, was sein schwaches Auge jedoch nicht so recht mitmachte. »Wie meinst du das, damit zu tun hatten ?«, fragte er matt.
»Willst du mir allen Ernstes erzählen, dass du keine Ahnung hast, wovon ich rede? Das glaube ich dir nicht. Du hast ›Dodge‹ gesagt, als du ›Datsun‹ meintest. Die beiden Wagen konntest du nur deshalb verwechseln, weil du wusstest, dass beide in den Unfall verwickelt waren. Was bedeutet, dass du wusstest, was passiert war.«
»Ich würde nie einen Datsun mit einem Dodge verwechseln, Nora.«
»Nein, nicht wenn du über Autos sprichst, die du gesehen hast. Aber es wäre durchaus denkbar, wenn es für dich nur Wagen in einer Geschichte sind – oder Worte auf einem Blatt Papier. Ich weiß, dass du Dodge sagtest, als du Datsun meintest. Vielleicht hast du dich einfach nicht mehr genau erinnert, wer welchen Wagen gefahren ist.«
Toby verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und umfasste seine Ellbogen mit den Händen. »Was bringt dich auf die Idee?«
»Ich habe gerade Brian und Sally getroffen«, antwortete ich. »Sie haben mir erzählt, was damals geschah. Und sie hatten diesen Brief ...«
»Nora«, sagte
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