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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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hierher zurückgekommen. Die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Du musst mehr wissen!«
    Ich stand auf. Meine Gedanken überschlugen sich. Datsun gegen Dodge. Die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Das Hemsworth-Trampolin – damals ein tiefes Loch, inzwischen aufgefüllt.
    »Geht es um meinen Dad? Um Paul? Hast du mit der Polizei über sie geredet, Nora?«
    Charlotte beobachtete mich aufmerksam.
    »Nora, du bist kreidebleich.«
    Sie kletterte aus dem Bett und legte eine Hand auf meinenArm. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Wegen Paul. Wegen Dad.«
    »Ich habe nie so etwas Schreckliches gedacht, Charlotte. Und ich habe mir nie erlaubt, das auszusprechen, wovor ich solche Angst hatte. Außerdem war es nichts von alldem.«
    Nun umklammerte Charlotte meinen Arm.
    »Und wieso siehst du dann wie eine wandelnde Leiche aus? Nora, hast du der Polizei irgendwas über meinen Dad erzählt?«
    » Nein! Gar nichts! Ich glaube, ich bin zu schnell aufgestanden«, behauptete ich und löste ihre Finger von meinem Ärmel. »Beruhige dich doch.«
    »Oh.« Charlotte nahm ihre Hand herunter und sank wieder auf das Bett. »Denn das mit meinem Dad kann ich erklären. Ich weiß nicht, wie es heute ist, aber damals, als Paul ihm von dem Unfall erzählt hat ... Er wollte Rose nicht zum Schweigen bringen. Sie und Paul sollten sich nur still verhalten, bis er mit seinem Anwalt gesprochen hätte.«
    »Ja, das erwähntest du bereits.«
    »Vielleicht hat er es vor sich hergeschoben, und als er endlich dazu kam, war Rose schon verschwunden. In dieser Situation die Unfallgeschichte zu enthüllen, hätte der Sache einen sehr unschönen Beigeschmack verliehen.«
    »Vielleicht solltest du mit ihm sprechen«, schlug ich vor. »Hör dir die Geschichte von ihm an, nicht nur von Paul, wenn du so besorgt bist.«
    »Ich habe ja gar nicht behauptet, dass ich mir Sorgen mache. Ich erkläre es nur für den Fall, dass du dir Sorgen machst.«
    »Okay«, sagte ich und setzte mich wieder auf den Drehstuhl.
    »Und das Geld«, fuhr Charlotte atemlos fort. »Das Geld war eine ganz andere Sache. Es hatte nichts mit dem Unfallzu tun. Dad hat ihr zu viel bezahlt, weil er Mitleid mit der Familie hatte. Durch seinen Job bei der Bank wusste er, welche Schwierigkeiten die Familie Banks mit ihrem Restaurant hatte. Er wollte nur nett sein. Und er hatte damit schon Wochen vor dem Unfall angefangen. Sogar Paul wusste das. Und Aaron vielleicht auch. Wahrscheinlich hat er es bei der Polizei erwähnt, als sie ihn jetzt noch einmal befragt haben. Das vermute ich jedenfalls.«
    »Aha. Na ja, das klingt ja alles sehr plausibel.«
    Ich war mir gar nicht ganz sicher, was ich überhaupt sagte. Ich erinnerte mich an etwas. An etwas, was hier in diesem Zimmer passiert war, als Charlotte mich wie immer mit Fragen löcherte. An etwas, woran ich schon seit langer Zeit nicht mehr gedacht hatte.
    Charlotte lehnte sich seufzend gegen ihre Kissen und schloss die Augen. Nach einer Weile glaubte ich, dass sie eingeschlafen sei.
    Während ich ihrem Atem lauschte, dachte ich wieder an das letzte Mal, das ich mit ihr in diesem Raum gewesen war. Damals waren wir elf. Ich glaube, ich guckte auf die dämlichen Bilder von der Osterinsel und stellte mir vor, ich wäre eine der Statuen. Nur dass ich keinen Schimmer hatte, welches Geheimnis ich bewahren sollte. Ich wusste lediglich, wenn ich stumm und komisch bliebe, würde Rose friedlich ruhen können – und uns alle in der stillen, tröstlichen Dunkelheit lassen.
    »Zu schade«, meinte Charlotte plötzlich, ohne die Augen zu öffnen. »Zu schade, dass du mich nie gewürdigt hast.«
    Die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Datsun gegen Dodge. Die Worte in meinem Kopf waren so laut, sie übertönten Charlotte beinahe.
    »Gewürdigt?«, wiederholte ich verwirrt. »Wofür?«
    »Okay, ›gewürdigt‹ ist vielleicht das falsche Wort. Ich meine, es ist ein Jammer, dass du mir nie vertraut hast. Du dachtest, dass ich nichts von alldem fühlte, was du empfandst. Aber das stimmte nicht. Kann sein, dass ich nicht wusste, wie ich dir helfen sollte, und dich zum Reden zu bringen war das Einzige, was mir einfiel. Du vergisst, dass ich auch erst elf war.«
    »Elf?« Ich konnte ihr kaum folgen.
    Die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Die Letzte, die sie leeee-bend gesehen hat! Eine Kinderstimme plärrte die Worte. Hämisch beinahe.
    »Ich meine, auch danach«, fuhr Charlotte fort. »Als wir ein bisschen älter waren. Ich war zwar deine beste Freundin, aber du

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