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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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aufgewachsen bin? Denn mir wird jetzt langsam klar, dass an Waverly gar nichts verkehrt ist. Eigentlich ist es sogar ganz niedlich. Hübsche kleine Wohnviertel, ein schöner alter Park in der Stadtmitte, eine niedliche kleine Stadtbücherei ... Und die Leute sind im Grunde auch nett. An diesem Ort ist nichts falsch. Es ist eine malerische Kleinstadt wie jede andere.«
    »Huch, was ist das denn auf einmal, Nora? Ich dachte, du hasst das Kaff.«
    »Ich hasse es nicht«, erwiderte ich. »Ich habe auch nie die Stadt gehasst, sondern mich, wie ich war, als ich hier lebte.«
    »Ja, verständlich«, meinte Neil nach einer kurzen Pause. »Ich habe mich auf der Highschool auch gehasst.«
    »Wer hat denn was von der Highschool gesagt?«
    »Ich dachte, das meintest du.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil du immer so merkwürdig reagierst, wenn das Gespräch auf die Highschoolzeit kommt. Schon damals, als wir noch auf dem College waren. Das, was du über die Highschool erzählt hast, blieb immer sehr vage – oder über deine Mitschüler. Du hast mir mal eine Geschichte aufgetischt, von der ich ziemlich sicher bin, dass sie aus einem John-Hughes-Film stammt.«
    »Und das hat dich nie gestört?«
    »Nein. Warum sollte es auch? Wen kratzt schon die Highschool? Ich konnte diese Mädchen nie leiden, die dauernd öde Geschichten von ihren alten Freunden aus dem Theaterkurs erzählen.«
    »Wie stellst du dir denn mich zu Highschoolzeiten vor?«
    »Ausgehend von dem, was deine Mom erwähnt hat, stelle ich mir vor, dass du eine Art Goth warst.«
    »Ach, Blödsinn! Goths gab es damals noch gar nicht!«
    »Doch, die gab’s.«
    »Nein, tat es nicht. Zumindest noch nicht unter dem Namen.«
    »Also warst du kein Goth? Was willst du mir eigentlich erzählen? Dass dich alle gehasst haben?«
    »Nein.«
    »Mir wäre es nämlich egal. Falls ja, waren die schlicht blöd.«
    »So war es gar nicht. Mich hat keiner gehasst, weil es die Mühe nicht wert war. Ich war niemand.«
    »Okay«, seufzte Neil. »Jeder ist ein Niemand an der Highschool, wenn man es genau nimmt.«
    »Nein, das stimmt nicht. Lassen wir den Quatsch, ja? Ich meine, ich war gar nicht richtig da. Ich war still, hatte einfach Angst, etwas zu sagen – und das so sehr, dass es irgendwann nichts mehr zu geben schien, was ich hätte sagen können. Stumm war ich, in der Schule und zu Hause. Ein paarmal habe ich versucht, in irgendwelche Klubs zu gehen, doch auch da musste man einfach zu viel reden. Ich hatte nur Freundschaften, die schnell wieder kaputtgingen, denn immer, wenn sie etwas länger hielten, musste ich zu viel reden – worüber, weiß ich nicht mehr.«
    »Nora, weinst du?«
    »Nein«, behauptete ich, obwohl meine Stimme kippte. »Ja, vielleicht.«
    Ich ließ den Wagen an und schloss das Fenster.
    »Und das ging immer so weiter«, fuhr ich fort, sobald ich etwas durchgeatmet hatte. »Bis es mir irgendwann so vorkam, als müsste ich total bescheuerte Sachen sagen oder anstellen, um zu spüren, dass ich überhaupt noch existierte. Doch dann stellte ich ein oder zwei richtige Dummheiten an, und ich wünschte, ich würde mich noch daran erinnern, wie es angefangen hatte. Wie ich so doof werden konnte, dass ich mich selbst so unglücklich machte, und wie ich auf die Idee kam, dieser Stadt die Schuld daran zu geben, als wäre hier was im Trinkwasser. Denn so war es nicht immer gewesen; nicht, als ich ein Kind war. Irgendwas war später mit mir passiert, etwas, was ich nie verstanden habe. Ich war zwar immer schon still gewesen, aber auf einmal wurde ich ängstlich und stumm, was etwas völlig anderes ist. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich glaube, ja. Aber letztlich hast du dich doch gut gemacht, und ist das nicht alles, was zählt?«
    »Ach, Neil, ich habe nicht nur mir selbst damals sehr wehgetan, sondern auch anderen. Dabei hätte ich Dinge sagen oder tun können, Leuten zuhören und richtig mit ihnen reden können, hätte ich mich nur getraut.«
    Neil zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Ganze wirklich richtig verstehe, aber falls du sagen willst, dass du dich bei jemandem entschuldigen solltest, dann tu das. Diese Art von Gefühl kenne ich. Mir ist es mit manchen Erlebnissen aus der Zeit genauso gegangen. Wenn du jemanden verletzt hast – redest du von Charlotte? –, dann kannst du heute nur noch sagen, dass es dir leidtut. Ehrlich, wahrscheinlich ist esden Leuten nicht mehr annähernd so wichtig, wie du denkst. Schließlich ist es lange her. Aber jetzt bist

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