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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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das?«
    »Das war die Schulzeitung der Waverly High.«
    »Ah, ja.« Er nahm einen Lappen und wischte sich damit die Hände ab. »Ich hatte vergessen, dass die einen Namen hatte.«
    »Wir bekamen jedes Jahr eine Ausgabe«, erinnerte ich ihn matt.
    »Und dabei wollte die gar keiner.« Toby grinste.
    »Dann hast du deine Exemplare wohl nicht aufbewahrt?«
    Toby drehte seinen Ring und die kleinen Finger in den Lappen. »Ähm ... bist du gekommen, um mich das zu fragen, Nora?«
    Ich betrachtete meine Fingernägel und kam mir ziemlich blöd vor. Toby hatte eine richtige Arbeit, Angestellte und Kunden, die sich auf ihn verließen. Wieso belästigte ich ihn damit? Ausgerechnet mit der Literaturzeitung der Schule! Er hatte mit Ach und Krach seinen Abschluss geschafft. Was bildete ich mir eigentlich ein?
    »Machst du dich über mich lustig?«, fragte er.
    Er war nicht unfreundlich, dennoch bemerkte ich, dass er sein Kinn anspannte, und ich war mir nicht sicher, ob er verärgert oder amüsiert war.
    »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich schnell. »Das war eine blöde Frage. Fiel mir nur gerade so ein. Bis dann.«
    »Nein, nein«, entgegnete Toby eilig. »So blöd war die gar nicht. Ich meine nur, gibt es einen Grund, weshalb du danach fragst? Du hast doch nicht für die Zeitung geschrieben, oder?«
    »Nein, das ist es nicht. Es ... Ach, das ist eine lange Geschichte.«
    »Vielleicht fragst du lieber Charlotte. Ich weiß noch, dass sie mit der Schulzeitung zu tun hatte. War sie nicht sogar mal die Chefin oder so was?«
    »Ja, aber leider kann ich sie im Moment nicht fragen. Ich glaube, sie will mich irgendwie auf die Probe stellen. Das ist schwer zu erklären ...«
    Toby knüllte den Lappen zusammen und stopfte ihn in seine Tasche. »Wie’s aussieht, habt ihr zwei euch nicht verändert. Ich weiß noch, wie sie dich früher immer verarscht hat.«
    »Ach, nein, sie wollte bestimmt nicht ...«
    »Na klar, Nora«, meinte er schmunzelnd. »Weißt du was? Erzähl mir die ganze Geschichte bei einem Bier, ja?«
    »Ja.« Ich verstand den Wink und drehte mich wieder zur Tür. »Gute Idee.«
    »Ah, und Nora?«, rief Toby mir nach, als ich schon fast draußen war.
    »Ja?«
    »Ich würd’s in der Bücherei versuchen.«
    Toby hatte natürlich recht. Jetzt fiel mir wieder ein, dass die Schulverwaltung ein großes Brimborium ums Archivieren der Jahrbücher, der vierteljährlich erscheinenden Rundschreiben und des Looking Glass in der Stadtbücherei gemacht hatte, als würden wir diese Veröffentlichungen deshalb gleich ernster nehmen. Außerdem war das Archivieren ein guter Vorwand gewesen, um die Beiträge zu zensieren. Diese Artikel repräsentieren euch als Klasse und werden jedem in der Stadt zugänglich sein. Denkt gründlich darüber nach, wie ihr in den kommenden Jahren angesehen werden wollt. Als ob das die Nachwelt interessierte!
    Ich stieg in meinen Wagen und bog auf die Main Street ein. Die Bücherei lag ein Stück hinter der Highschool. Ich ertappte mich dabei, wie ich lächelte, als das lang gezogene braune Sandsteingebäude vor mir auftauchte – nicht wegen der bittersüßen Erinnerungen, sondern weil ich daran dachte, dass Charlotte dort war und wahrscheinlich in diesem Moment einem Schüler verbot, zur Toilette zu gehen. Dieser Gedanke ließ den Ort absurd harmlos erscheinen, bei Weitem nicht so bedrohlich, wie er mir immer vorgekommen war. Vorn waren die halbrunden Hecken säuberlich gestutzt. Eine übergroße amerikanische Flagge flatterte über dem Lehrerparkplatz, wo auch Charlottes Saturn stand.
    In der Bücherei zögerte ich kurz, bevor ich auf die hagere Bibliothekarin hinter der Theke zuging. Ich kannte sie noch von früher. Inzwischen war ihr krauses braunes Haar stellenweise grau, aber sie hatte immer noch diese bizarre Hörnchenlocke, die ihr in die Stirn und über das rechte Auge hing.
    »Guten Tag«, begrüßte sie mich, als sie bemerkte, dass ich sie ansah. Sie sprach so munter, dass ich im ersten Moment dachte, sie hätte mich wiedererkannt. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Guten Tag«, erwiderte ich und achtete darauf, nicht ihr Haar anzusehen. »Ähm, ich hatte mich gefragt, ob Sie zufällig alte Ausgaben der Literaturzeitung der Waverly High haben, des Looking Glass ?«
    »Selbstverständlich«, antwortete die Hörnchenfrau und sprang von ihrem Stuhl auf. »Gehören Sie zu den Vielfraßen?«
    »Zu den Vielfraßen? Nein.«
    »Der Vielfraß ist hier das Maskottchen«, erklärte sie und ging voran in eine dunkle

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