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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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gesprochen hatten, bevor ich die Stadt verließ. Ich war etwas überrascht gewesen, als sie mich ein paar Wochen nach unserem Highschool-Abschluss zum Kaffeetrinken einlud.
    Charlotte hatte mehrere Löffel Zucker in ihren Becher gekippt, ich trank meinen Kaffee schwarz.
    »Magst du den wirklich so?«, hatte sie ungläubig gefragt, als ich an meinem Kaffee nippte.
    »Ja. Ich mag Bitteres«, erklärte ich.
    »Hm. Also ... nach Syracuse, ja? Bist du schon aufgeregt?«
    »Ja.«
    »Das soll eine ziemliche Party-Hochschule sein. Es wundert mich, dass du dahin willst.«
    »Was Kunst betrifft, haben sie ein gutes Angebot.«
    Charlotte nickte. Sie würde an der University of Connecticut studieren, ungefähr zwanzig Autominuten von Waverly entfernt. Sie hatte ein Stipendium bekommen, das landesweit Schülern mit besten Testergebnissen und einem Notendurchschnitt, der sie zu den oberen zehn Prozent ihrer Klasse zählen ließ, angeboten wurde.
    »Kriegst du einen Zuschuss?«, fragte Charlotte.
    »Ja, richtig viel sogar.« Auf dem Papier wirkten meine Mutter und ich relativ arm.
    Bevor wir unseren Kaffee ausgetrunken hatten, brachte Charlotte das Gespräch auf Rose.
    »Du mochtest sie echt gern, oder? Und sie mochte dich. Ja, Rose mochte dich wirklich.«
    »Ist mir nie aufgefallen.«
    »Doch. Sie mochte dich lieber als mich.«
    Ich wusste nicht, was das noch für eine Rolle spielen sollte.
    »Ach, ich weiß nicht ...«, murmelte ich.
    »Was glaubst du denn, wieso sie dich lieber mochte, Nora?«
    »Ich ... keine Ahnung. Und das ist jetzt ja auch egal, oder?«
    »Mir nicht. Weißt du, Nora, ich will schon seit einer ganzen Weile mit dir über sie reden. Also, in letzter Zeit dachte ich, wir müssten mal über sie sprechen.«
    »In letzter Zeit?«
    »Ja, na ja. Ich dachte, es gibt vielleicht etwas, was du mir über sie sagen willst.«
    Ich wartete, dass sie weiterredete, trank meinen Kaffee und bemühte mich, nicht das Gesicht zu verziehen, weil er so stark war. Doch Charlotte sah mich nur erwartungsvoll an.
    »Was?«, fragte ich.
    »Ich dachte, du willst darüber reden. Bevor du weggehst. Irre ich mich?«
    »Ähm ... kann sein«, sagte ich perplex.
    Anscheinend war das Charlottes bizarre Art, Abschied zu nehmen. Als Kinder waren wir so enge Freundinnen gewesen, und jetzt würden wir bald weit entfernt voneinander leben. Das hatte etwas Trauriges, aber diese Unterhaltung bewies zugleich wohl auch eindrucksvoll, dass Rose das Einzige war, was wir seit längerer Zeit noch gemeinsam hatten.
    »Ich denke eigentlich kaum noch an sie«, gestand ich. »Zumindest versuche ich, es nicht zu tun.«
    »Du versuchst, nicht an sie zu denken? Wieso?«
    »Wegen dem, was mit ihr passiert ist.«
    Charlotte sah mich misstrauisch an. »Was ist denn mit ihr passiert?«
    »Das weiß ich nicht. Aber was es auch war, wahrscheinlich war es etwas ganz Schreckliches.«
    Ich blickte in meinen Kaffee, den ich erst zur Hälfte getrunken hatte. Trotzdem fühlte ich mich zittrig, denn nachmittags vertrug ich keinen Kaffee. Daran musste ich arbeiten, wenn ich aufs College ging.
    »Wie gesagt, ich versuche, möglichst nicht an sie zu denken«, erklärte ich. »Das ist zu ... traurig.«
    Charlotte nickte. Vielleicht begriff sie es endlich. Für einen Moment wich sie meinem Blick aus, und ich fragte mich, ob es sie verunsicherte, dass ich aussprach, was mich traurig machte. Natürlich meinte ich »traurig« im allgemeinen Sinn, nicht auf die Art, die einen nach einer Überdosis Aspirin in der psychiatrischen Notaufnahme landen ließ – das, was mich berühmt gemacht hatte. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr das vermitteln sollte, ohne dass es für uns beide noch peinlicher wurde.
    »Und? Bist du genauso wild darauf, hier wegzukommen, wie ich?«, versuchte ich, uns beide von dem Thema abzulenken.
    Charlotte nagte an ihrer Unterlippe und lächelte. »Ja, ich glaube schon.«
    »Es wird sicher klasse, mit ganz neuen Leuten von vorne anzufangen. Manchmal fasse ich es noch gar nicht richtig, dass ich demnächst morgens aufstehe, in die Kurse gehe und um mich herum nicht mehr dieselben Gesichter sehe wie jetzt – wie jeden Tag, seit ich sechs bin.«
    »Ein bisschen beängstigend ist es aber auch«, meinte Charlotte.
    »Ja?«
    »Na, finde ich jedenfalls.«
    »Hier zu bleiben wäre noch viel beängstigender.«
    »Mhm«, brummte Charlotte, die mich dabei beobachtete, wie ich noch einen Schluck trank.
    Sie lächelte verhalten, weil es mir nicht gelang, eine Grimasse zu

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