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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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Ecke hinter den Zeitschriften.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich war nämlich früher auch an der Waverly High. Aber ich habe mich nie als Vielfraß betrachtet.«
    Sie lächelte verkniffen. »Ah, verstehe. Na, hier wären wir. Diese grünen Ordner sind es. Und auf den Kassetten da unten sind alle Musicals der Abschlussklassen von 1988 bis heute. Nur 2001 fehlt leider, weil jemand das Band in seinem Wagen liegen gelassen hat und es geschmolzen ist.«
    »Schon okay. Mich interessieren vor allem die Ausgaben des Looking Glass .«
    »Nun, dann lasse ich Sie mal in Ruhe stöbern. Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie mir einfach Bescheid.«
    »Danke.« Sie ging wieder an ihren Tresen und ließ mich in der Nische allein. Jeder Ordner enthielt die Ausgaben aus fünf Jahren. Ich zog 1990 bis 1994 und 1995 bis 1999 heraus.Es dauerte nicht lange, in den Heften aus meinen Jahren an der Waverly High (1993 bis 1996) die Seiten 11 und 12 nachzuschlagen. In dem letzten Heft, dem von 1996, fand ich, was ich gesucht hatte: das anonym verfasste »Du«-Gedicht (»Eine riesige Wäscheleine am Himmel ...«) und »Pusteblume« auf Seite 11, Kelly Sawyers Gedicht auf Seite 12. Ich klickte die Metallringe auf, nahm das Heft heraus und setzte mich damit auf einen Stuhl. Es war die Ausgabe des Looking Glass aus dem Jahr 1996, aus unserem Jahr.
    Zunächst blätterte ich zur ersten Seite zurück. Ein paar der Namen im Impressum kamen mir zwar noch vage bekannt vor, doch richtig vertraut war mir nur Charlottes.
    Auf Seite 5 war ein weiteres Gedicht, das mit »Du« überschrieben war, ebenfalls anonym. Ein Versehen von Charlotte? Oder von demjenigen, der das Layout gemacht hatte? Trotz des identischen Titels war der Text allerdings ein vollkommen anderer:

    Du
    Du läufst durch ein Feld im Sonnenschein.
    Ein roter Datsun jagt dir nach,
    lässt den Motor heulen und pflügt
    Gras und Wildblumen.
    Du bist atemlos und verschwitzt,
    als du den Wiesenrand erreichst,
    wo ein gebogenes Steintor den dichten Wald bewacht.
    Der Wagen holt dich beinahe ein,
    bevor du durch das Tor läufst,
    doch bist du erst im Wald,
    kann er dir nichts mehr tun.
    Er heult und schnaubt und hupt am Tor,
    aber er passt nicht hindurch.
    Du stehst weinend auf der anderen Seite.
    Tränen tropfen platschend von deinem Kinn auf deine Bluse –
    du siehst nach unten.
    Das sind keine Tränen –
    es sind Ameisen, knisternd und schwarz.
    Du schreist nicht,
    lässt sie einfach aus deinen Augen und deiner Nase strömen
    und über dein Gesicht krabbeln.
    Denn du weißt, dass du jetzt im Wald bist –
    wo alles möglich ist.
    Hm. Die paranoiden Ergüsse von jemandem auf einem miesen Trip? Das passte nicht zur Waverly High. Wie schade, dass ich die Schulzeitung damals eigentlich nie gelesen hatte; offensichtlich war mir einiges entgangen.
    Auf Seite 8 entdeckte ich dann noch ein Gedicht mit der Überschrift »Du«:

    Du
    In seinem Zimmer,
    unter der Blaubeertapete,
    küsst ihr euch, bis die Sonne untergeht.
    Du siehst die Dunkelheit durch die Fenster hineinfallen.
    Du hast keine Ahnung, wann du nach Hause kommst.
    Oder was du sagen wirst, wenn du dort bist.
    Du greifst nach oben und pflückst eine Beere von der Wand.
    »Sind die giftig?«, fragst du.
    »Soll ich eine essen?
    Und für immer schlafen?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Sie sind nicht süß.
    Sie sind nicht giftig.
    Bedaure, Süße.
    Sie sind nicht einmal real.«
    Mir kam es komisch vor, dass Charlotte und die anderen von der Zeitung einem anonymen Schreiber so viel Raum überlassen hatten. Andererseits hatte es nicht gerade als cool gegolten, Sachen für die Zeitung zu schreiben. Wahrscheinlich mussten sie, um die Seiten zu füllen, alles nehmen, was sie kriegen konnten. (Immerhin hatten sie auch diverse Gedichte von Kelly Sawyer gedruckt.) Vielleicht hatte sogar jemand aus dem Zeitungsteam diese Texte eigens zu dem Zweck verfasst, das Heft voll zu bekommen.
    Auf Seite 11 kam die Wäscheleinen-Geschichte und mehrere Seiten später noch ein »Du«-Gedicht:

    Du
    Diesmal klopfst du an seine Tür –
    eine schöne Hütte auf einem sattgrünen Hügel
    mit Obstbäumen und Sonnenschein
    und Kindern in Kitteln, die lächelnde Löwen streicheln.
    Als er die Hüttentür öffnet,
    schaut er warmherzig und nachsichtig,
    und er berührt sanft dein Gesicht.
    Aber dann bewegt sich seine Hand dein Kinn hinauf und in deinen Mund,
    und er reißt dir einen Eckzahn aus.
    Er hält ihn hoch, damit du ihn sehen kannst, und sagt:
    »Du darfst ihn

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