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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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behalten. Du kannst so viele haben, wie du willst.«
    Er reißt auch einen Schneidezahn aus
    und lässt beide auf seine Fußmatte fallen,
    als wollte er sagen:
    »Behalt deine stinkenden Zähne«,
    und dann knallt er seine leuchtend rote Tür vor dir zu.
    Bäh. Ich blätterte weiter. Auf Seite 33 kam noch eins:

    Du
    Die Turnmatten sind von einem schmerzhaft fröhlichen Blau,
    doch in ihnen steckt der Schweiß aus einem Jahrzehnt Hintern und Unterarmen.
    Wahrscheinlich von einer unsichtbaren Ringelflechte durchwirkt,
    beinah fühlst du, wie sie unter deinen Knien kriecht.
    Du kniest am Mattenrand
    und biegst ihn zu deiner Brust,
    schwankst und ziehst, bis er sich bewegt.
    Langsam zuerst – einen Zentimeter, dann noch einen.
    Aber schließlich steigt die Matte auf, und die Turnhalle unter dir verschwindet.
    Hot Pants fuchtelt mit den Armen, brüllt dich an, du sollst zurückkommen,
    doch ihre Stimme verklingt rasch; sie wird klein wie eine Ameise und ist schließlich ganz fort.
    Das Blau der Matte macht plötzlich Sinn, denn sie schwebt jain der Luft.
    Es passt perfekt zur Farbe des Himmels.
    Genau das war schon immer ihr Zweck: am klaren blauen Himmel zu schweben.
    Du hast es nur nie gewusst.
    Ich unterdrückte einen Aufschrei, ballte meine Hände zu Fäusten und hielt sie mir vor den Mund, um meinen Schreck zu verbergen. Immerhin war es gut möglich, dass mich die Hörnchenfrau beobachtete.
    Rose’ Traum. Wäre sie nicht verschwunden, hätte ich mich bestimmt nicht an ihn erinnert, aber durch ihr Verschwinden hatte sich dieser Traum in mein Gedächtnis eingebrannt. Noch lange nachdem sie fort war, erinnerte ich mich oft daran, wie ich auf meinem Stift gekaut, sie angesehen und mich gefragt hatte, was sie wohl denken mochte. Besonders oft fiel es mir ein, wenn ich in der Highschool Dehnübungen auf diesen Turnmatten machte – oder vielmehr so tat, als würde ich welche machen. Auf denselben Matten, die gewiss schon Rose benutzt hatte. Ich war unglücklich in meinen lila-goldenen Turnshorts und betete, dass ich beim Laufen nicht die Letzte würde. Betete, dass ich mich nicht dadurch lächerlich machen würde, dass ich einen Volleyball ins Gesicht bekam oder einfach nicht schreien konnte: »Hab ihn!« – einfach, weil man sich doch seiner Sache niemals so sicher sein konnte. Allerdings war ich zu klug, um zu beten, die Matte möge mit mir wegfliegen. Schließlich hatte Rose das bereits getan (und damit allen anderen die Möglichkeit dazu genommen).
    Ich wusste nicht, was es zu bedeuten hatte, dass Charlotte das hier geschrieben hatte. Für einen Moment kehrten meine Gedanken zu jenem Nachmittag in ihrer Küche zurück. Die letzten Jahre hatte ich kaum noch daran gedacht, aber diese Worte rückten jene Zeit, bevor es passierte, wieder in greifbare Nähe – die Zeit, bevor das Nachdenken über Rose schrecklich wurde, schlimmer noch als schrecklich. Ich strich über die Seite, als könnte ich den Nachmittag herausreißen und in meine Tasche stecken.
    Offensichtlich war er für Charlotte genauso bedeutsam wie für mich. Blieb nur die Frage, was sie mir vor Jahren mitteilen wollte, indem sie anonym Rose’ Traum zu einem Gedicht für ihre Literaturzeitschrift gemacht hatte. Und wollte sie mir jetzt immer noch etwas damit sagen? Warum spielte sie wieder auf jenen Tag an, traute sich aber nicht, mir zu verraten, dass das Gedicht von ihr war?
    Ich überflog den Rest des Hefts. Es kamen keine »Du«-Gedichte mehr. Nachdem ich alle noch einmal gelesen hatte, schloss ich den Ordner und stellte ihn zurück zu den eingestaubten anderen.
Unheimliche Begegnungen mit Außerirdischen
Oktober 1990
    »Ich hatte euch einen Film besorgt, aber ich habe ihn zu Hause vergessen«, sagte Rose, als sie ihren Teller abspülte. »Ich hatte ihn mir von Joe geliehen. Und jetzt steckt er zu Hause im Videorekorder. Mein Dad wollte ihn sich angucken.«
    Es war Sonntagabend, das Columbus-Day-Wochenende, und ich sollte bei Charlotte übernachten. Mr. und Mrs. Hemsworth waren im Kino, Paul mit seiner Fußballmannschaft irgendwohin gefahren. Ich hatte es geschafft, die Erlaubnis zum Übernachten von meiner Mutter zu erbetteln, und sie hatte nicht einmal gefragt, ob Mr. und Mrs. Hemsworth auch zu Hause seien.
    »In dem Film geht es um diesen Farmer, bei dem Aliens gelandet sind.«
    »Ist das wirklich passiert?«, fragte ich, während ich meinen Teller abwusch.
    »Klar ist das wirklich passiert. Es ist ein Dokumentarfilm. Ich erzähle euch doch keinen

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