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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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gut.«
    Charlotte zögerte. »Ich wollte dich schon immer was fragen: Wieso ausgerechnet im Mädchenklo? Und dann auch noch in dem Mädchenklo ...«
    »Ganz einfach: Da war mittags am meisten los. Ich habe es kurz vor der Mittagspause gemacht.«
    »Du wolltest sichergehen, dass dich jemand findet.«
    »Notfalls, ja. Aber eigentlich habe ich sowieso nicht genug genommen, um ... um ...«
    »Ich habe gehört, dass du eine ganze Flasche Aspirin geschluckt hast!«
    »Nein«, widersprach ich. »Ich habe nur eine Handvoll genommen; ich hatte zu viel Angst, alle zu schlucken. Ich denke nicht, dass ich überhaupt jemals vorhatte, alle zu nehmen.«
    Einen Moment lang schwieg ich. »Wer hat dir denn erzählt, dass ich die ganze Flasche genommen habe?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Tut mir leid, aber ...« Charlottes blasse Wangen hatten sich ein bisschen gerötet. Sie schämte sich immer noch meinetwegen. »Alle haben davon gehört. Wie sollten sie auch nicht?«
    »Ashley und Karen haben allen erzählt, ich hätte Drüsenfieber.«
    Charlotte schnaubte. »Ähm, ja, und was für unglaublich gute Schauspielerinnen die beiden waren! Sie trugen das mit so einer ›Überzeugung‹ vor, dass man sofort wusste: Die beiden wahren das größte Geheimnis, das Versagerinnen wie die sich vorstellen können. Wie ein paar dämliche Hühner, die auf einem gewaltigen Ei hocken.
    Und außerdem: Wie hätten sie das verheimlichen können, nachdem Robin Greenbaum reingekommen war und dich gekrümmt auf dem Klo gefunden hatte? Sie ist sofort losgerannt und hat Philippa geholt.«
    »Philippa?«
    »Ich meine: Mrs. Norris. Ach, sie lässt dich übrigens grüßen.«
    »Wie nett.«
    »Robin jedenfalls hatte es schon bei ihren Freundinnen rumerzählt, bevor die beiden anderen mit ihrem Märchen ankamen. Ich glaube nicht einmal, dass sie es unbedingt überall verbreiten wollte; sie war wahrscheinlich einfach nur erschrocken.«
    »Das macht nichts«, sagte ich. »Ich wollte ja, dass es alle wissen.«
    Charlotte riss die Augen weit auf. »Wusste ich’s doch!«
    »Na ja, heute kann ich es ja ruhig zugeben.«
    Sie zog so gierig an ihrer Zigarette, dass ich schon vom Zugucken beinah eine Hustenattacke bekam.
    »Ein Grund, weshalb ich frage: ›Wieso das Klo?‹«, erklärte Charlotte, »ist der, dass ich fast jede Mittagspause daran denke, wenn ich hineingehe. Das heißt, wenn ich reinmuss, um die rauchenden Mädchen hinauszuscheuchen.«
    »Aha. Das tut mir leid.«
    »Schon gut. Denkst du oft daran?«
    »Eigentlich nicht. Nicht mehr.«
    Energisch blies sie eine Rauchwolke aus, ohne darauf zu achten, dass sie direkt in meinem Gesicht landete.
    »Wenn ich so darüber nachdenke, was mir an der Geschichte bis heute zu schaffen macht – ich meine, abgesehen von meiner Mutter, der es einen entsetzlichen Schreck eingejagt hat –«, begann ich und drehte mich von dem Rauch weg, »dann dass es das Schrillste und Anstößigste war, was ich in meiner gesamten Highschoolzeit gemacht habe. Statt einfach mal den Mund aufzumachen.«
    »Was hättest du denn sagen wollen, wenn du damals nicht so schüchtern gewesen wärst?«
    »Was spielt das denn noch für eine Rolle? Ich entschied mich, das zu meinem größten Statement zu machen. Und daran ist niemand schuld außer mir selbst.«
    »Das streite ich ja gar nicht ab.« Charlotte gähnte. »Entschuldige. Aber ich frage trotzdem: Was hättest du denn sagen wollen?«
    »Damals hatte ich das Gefühl, es wären Millionen verschiedene Sachen. Heute erinnere ich mich nicht mal mehr an eine, die wichtig gewesen wäre.«
    »Hatte irgendetwas davon mit Rose zu tun?«, fragte Charlotte.
    »Natürlich nicht«, antwortete ich verwundert. »Wieso fragst du?«
    »Weil ich manchmal überlege, ob du irgendeine dunkle Vision hattest und ob die vielleicht mit schuld daran war, dass du ... du weißt schon ... so deprimiert warst.«
    »Nein, nichts dergleichen. Du hast zu viele von diesen Büchern gelesen. Eine dunkle Vision ? Nein, es war nichts außer schlichtem Elend gepaart mit Blödheit.«
    »Du darfst nicht so hart mit dir selbst ins Gericht gehen. Fast alle Mädchen, die ich unterrichte, sind auf die eine oder andere Art verrückt, auch wenn sich das ganz unterschiedlich äußert: Schlampigkeit, Ladendiebstahl, Cheerleading ... Dieses Alter ist für Mädchen wie ...«, Charlotte drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und betrachtete eines der Bücher, die auf dem Couchtisch lagen, »... wie das Bermudadreieck. Zuerst segelt man ganz

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