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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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hockten an der Garagenwand. Sie saßen dicht beieinander und waren offensichtlich in ein Gespräch vertieft. Mr. Hemsworth saß krummbeinig auf Charlottes altem roten Hüpfball, die Hand auf dem Haltegriff; sein Bauch hing auf seine Oberschenkel. Rose saß neben ihm auf einem Gartenstuhl. Beide guckten irgendwie nach draußen, als würden sie sich mit dem Minivan unterhalten. Als ich sie so sah, war mein erster Gedanke, dass der Hüpfball unter Mr. Hemsworth jeden Moment platzen würde. Mein zweiter war der, dass sie über eine von uns – Charlotte oder ich – gerade irgendwie schlecht sprachen.
    »Hey, Nora«, rief Rose mir zu.
    Mr. Hemsworth sprang auf und hielt sich dabei den unteren Rücken.
    »Wirst du kribbelig?«, fragte Rose.
    »Nee«, sagte ich, weil ich nicht die Feige sein wollte, die mitten in einem gruseligen Film zu den Erwachsenen gelaufen kam.
    »Alles okay?«, fragte Mr. Hemsworth.
    »Ja ... ich dachte nur, dass Sie schon gefahren sind«, erklärte ich. »Obwohl ich ... glaube ich ... das Auto nicht gehört habe.«
    Mr. Hemsworth klimperte einen Moment lang mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche. Rose rieb sich fröstelnd ihre Hände und blies auf die Fingerknöchel.
    »Zwei Minuten noch, okay?«, bat Mr. Hemsworth.
    »Okay.«
    Ich kapierte nicht gleich, dass das mein Stichwort war, wieder zurück in die Küche zu gehen und die Tür hinter mir zu schließen.
    Kurz darauf hörte ich Mr. Hemsworth sagen: »Sie ist ein bisschen eigenartig, oder?«
    Ich strengte mich an, um Rose’ Antwort zu hören, aber die war viel zu leise. Irgendwo darin kam »nur schüchtern« vor, aber den Rest verstand ich nicht.
    Aus lauter Furcht vor dem, was sie als Nächstes sagen würden, trat ich von der Tür weg. Es könnte ja etwas über mich sein – und möglicherweise etwas noch Schlimmeres als das, was ich schon gehört hatte. Also stand ich einfach fünf Minuten lang in der unbeleuchteten Küche und war froh, den Raum für mich zu haben. Ich lehnte mich an die dunklen Küchenschränke und versuchte, weder auf die Schreie aus dem Fernseher noch auf das Murmeln aus der Garage zu achten.

Sieben

    22. Mai 2006
    Ich parkte an der Straße, weil ein anderer Wagen neben Charlottes in der Einfahrt stand. Vielleicht war Porter zu Besuch gekommen. Damit ich sie nicht im Wohnzimmer überraschte, ließ ich mir absichtlich Zeit beim Aufschließen der Vordertür und warf meine Sachen sehr laut auf einen Küchenstuhl.
    »Hey, Nora!«, rief Charlotte.
    Als ich ins Wohnzimmer kam, saß sie mit angezogenen Beinen auf der Couch, immer noch in ihrer Arbeitskleidung. Auf dem Couchtisch stand eine Flasche Wein, daneben lagen ein Stapel Papiere und Notizbücher. Ihr gegenüber, in dem alten Schaukelstuhl, saß ihr Bruder Paul. Ich war ein wenig verwundert, ihn zu sehen. Zwar wusste ich, dass er in der Nähe von Hartford – also nicht weit von hier – wohnte, aber Charlotte hatte nichts davon gesagt, dass er vorbeikommen würde.
    Paul sah noch genau so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Das letzte Mal hatte ich ihn bei Charlottes und meinem Schulabschluss gesehen; da war er ungefähr vierundzwanzig gewesen. Damals wie heute wirkte er, als könnte er noch auf der Highschool sein. Er war blass, hatte Sommersprossen, ein rundes Gesicht und rötlich blondes Haar, das ihm in die Stirn fiel. Meine Mutter nannte ihn immer »Opie«, wenn wir unter uns waren – nach dem Sohn des Sheriffs aus der Andy-Griffith-Show.
    »Hi, Paul«, begrüßte ich ihn.
    »Hi. Schön, dich zu sehen.«
    »Ja, freut mich auch.«
    Als ich mich neben Charlotte auf die Couch setzte, stand er auf. Seine superweißen Turnschuhe entlockten mir ein Grinsen. Er war in den Dreißigern, verheiratet, hatte zwei schulpflichtige Kinder und seine eigene physiotherapeutische Praxis, und immer noch trug er diese lächerlichen Turnschuhe.
    »Wie geht’s Toby?«, fragte er.
    Verwundert blickte ich zu ihm auf. »Gut. Ich habe ja keinen Vergleich zu vorher, aber es scheint ihm gut zu gehen.«
    »Hat er was gesagt, wie es seinem Bruder geht?«
    »Joe war auch da.«
    »Ach ja?« Paul wirkte nicht besonders erstaunt. Ich fragte mich, wie er wohl zu Joe stand. Früher waren sie befreundet gewesen, genauso wie Charlotte und ich. Aber schon in der Highschool hatten sie sich aus denselben Gründen wie wir voneinander entfernt: Paul war der glanzvolle Schulsportler gewesen, Joe der Freak.
    Ich beschloss, nicht zu erwähnen, dass Joe angetrunken gewesen war. Wir Freaks hielten doch

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