Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
Vom Netzwerk:
ruhig vor sich hin, und dann passieren auf einmal die schrägsten Sachen. Keiner versteht, was genau da passiert. Und es ist vollkommen unvorhersehbar, wer so irgendwie hindurchkommt, wer sich verirrt und wer alles gut übersteht.«
    »Was ist mit den Jungen?«
    »Oh Gott, die Jungen! Die werden auch zu Irren, allerdings anders. Sie sind eher nach außen hin destruktiv, nicht nach innen gerichtet, aber grundsätzlich ist es dasselbe.«
    »Ach, ich weiß nicht«, zweifelte ich. »Bei den Jungen scheint es irgendwie anders zu sein ... spaßiger. Ich meine, Neil erzählt mir Geschichten davon, wie er mit seinen Freunden vorm Chemieunterricht einen Joint geraucht hat und dann auf einmal vom Bunsenbrenner so fasziniert war, dass er sich fast abgefackelt hätte. Oder wie er in die Rabatten gebrettert ist, weil er zu schnell über den Parkplatz von ›Home Depot‹ fuhr. Aber das hört sich alles lustig an, nicht erbärmlich. Wie kommt es, dass ich keine solchen Geschichten zu erzählen hab? Für ihn ist es eher verrückt, sich an jene Zeit zu erinnern, nicht traurig.«
    »Tja«, meinte Charlotte, die jetzt wieder auf ihre Papiere hinabsah, »und was hält er von deiner Mädchenklo-Geschichte?«
    Verlegen zog ich Unheimliche Begegnungen mit Außerirdischen aus dem Karton und fragte mich, ob mein Gesicht ebenso merklich die Farbe wechselte wie das von Charlotte.
    »Na ja ... er, äh ...«
    Charlotte drehte ihren Stift zwischen den Fingern und wartete darauf, dass ich weitersprach. Doch ich schüttelte nur den Kopf und beendete den Satz nicht.
    »Ach so«, sagte sie langsam. »Meine Güte, Nora, ich bin sicher, dass er es verstehen würde. Bestimmt kann jemand, der sich vorm Chemieunterricht bekifft, auch verstehen, wenn man einen kleinen Durchhänger ...«
    »Darum geht es nicht«, unterbrach ich sie. »Es ist mir egal, ob er es verstehen würde – natürlich würde er das. Ich hätte doch keinen Mann geheiratet, der es nicht versteht. Es schien mir nur nie von Bedeutung zu sein. Damals war einfach alles so chaotisch, dass es für mich heute nicht mehr von Belang ist.«
    »Okay.« Charlotte zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst.«
    Ich fragte mich, ob sie noch mehr Argumente brauchte, doch einen Moment später schien all das bereits keine Rolle mehr zu spielen. Sie hatte sich den nächsten Schwung Wortschatzübungen vorgenommen und offenbar nichts dagegen, dass wir das Thema beendeten.
    Also schlug ich Unheimliche Begegnungen auf und überflog die ersten paar Seiten.
    In einem grauen Kasten stand: »Sind Sie entführt worden? Die Hinweise, nach denen Sie suchen müssen.«
    Ich lächelte, als ich mich daran erinnerte, dass Rose uns oft all diese Fragen, die in den Kästen standen, hatte beantworten lassen. Auch jetzt machte ich den Test, im Stillen, während Charlotte korrigierte.
    »Fehlt Ihnen die Erinnerung an eine bestimmte Zeitspanne?« Nein.
    »Sind Ihre Erinnerungen verwirrt?« Manchmal.
    »Leiden Sie unter unbegründeter Angst?« Nun, kommt darauf an, was man als unbegründet betrachtet.
    »Nächtlichen Schlafstörungen?« Nur sehr selten unter Schlaflosigkeit.
    »Haben Sie Blutflecken auf Ihrem Kopfkissen gefunden?« Nein.
    Ich blätterte die nächsten Seiten durch und sah mir Bilder an, die von Entführten gezeichnet worden waren: eine Reihe von Raumfahrern in blauen Anzügen in einer hübschen gelben Küche; eine Strichzeichnung von einer Frau, die auf einen Tisch geschnallt war und der menschenähnliche Gestalten Eier entnahmen; ein großes Glastor im Weltraum, bewacht von einer Kreatur, die auffallende Ähnlichkeit mit dem Pillsbury-Männchen hatte.
    »Ich muss mich für meinen Bruder entschuldigen«, sagte Charlotte plötzlich. »Er war nicht gerade in bester Stimmung.«
    »Kommt er häufig vorbei?«
    »Nein. Wenn er kann, hilft er mir mit der Gartenarbeit, aber normalerweise ist er zu sehr mit seinen Kindern beschäftigt.«
    »Aha.«
    »In letzter Zeit war es nicht leicht für ihn. Deshalb kommt er im Moment öfter, um zu reden.«
    Ich fragte nicht, was »nicht leicht« für ihn gewesen war, weil es mich nichts anging. Charlotte blickte von ihren Korrekturen auf und neigte den Kopf zur Seite. Fast schien es, als würde sie darauf warten, dass ich nachhakte, aber ich war mir nicht sicher. Also starrte ich auf ein Foto von einem Kornkreis und wartete ebenfalls.
    »Paul hält es für möglich, dass Aaron Rose etwas angetan hat«, platzte Charlotte heraus und legte ihre Papiere wieder

Weitere Kostenlose Bücher