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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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verschwunden ist.«
    Mr. Hemsworth atmete laut ein und aus, was mich an einen wütenden Comic-Stier denken ließ. Ich dachte, dass er uns nun fragen würde, in welche Quadrate Phil gegangen sei, doch stattdessen drehte er sich ohne ein weiteres Wort umund stampfte in die Garage. Ich sah, wie er sich direkt an der Garagentür eine Hand an den Kopf hielt und in sein drahtiges, dünnes Haar griff.
    »Scheiße!«, brüllte er.
    Man hörte ein Scheppern von umfallenden Schaufeln und Harken, dann ein Klirren, das ich nicht zuordnen konnte. Vielleicht eine Schaufel, die gegen eine Schubkarre schlug.
    Zuerst sah ich Toby an. Ich dachte, er würde wegen dem »Scheiße« von Mr. Hemsworth triumphieren, weil das ja viel schlimmer war als sein eigenes »Mist«. Aber er schien es überhaupt nicht bemerkt zu haben. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte zum Himmel hinauf. Für einen Augenblick kam mir der Gedanke, dass er vielleicht betete, nur wusste ich nicht, warum.
    »Verdammt noch mal!«, brüllte Mr. Hemsworth.
    Dann sah ich Charlotte an. Sie wirkte überrascht, war aber ruhig und tippelte mit einem Fuß, als wartete sie, dass der Moment vorüberging.
    Schließlich kam Mr. Hemsworth wieder aus der Garage. Sein Haar war zerzaust, das Hemd hing ihm halb aus der Hose, und er hielt eine Harke in der Hand.
    Ich hatte keine Ahnung, was er mit der Harke vorhatte, und er wusste es anscheinend ebenso wenig. Erst vor ein paar Wochen hatte er das ganze Laub zusammengeharkt – daran erinnerte ich mich noch genau, weil er uns erlaubt hatte, einige Male in den Laubhaufen zu springen, bevor er die Blätter in große Säcke gestopft hatte. Nun stützte er sich für einen Moment auf die Harke, und seine Schultern waren ganz eingesunken. Wie beiläufig harkte er einmal über unser Dogon-Muster. Dann schien er es sich anders überlegt zu haben, denn er trug die Harke weiter nach hinten in den Garten und begann, die wenigen übrig gebliebenen Blätter aus den braunen Überresten des Gemüsebeetes zu holen.
    »Wollen wir reingehen?«, schlug Charlotte vor.
    Ich nickte und folgte ihr. Toby schlurfte hinter uns her.
    Charlotte öffnete die Fliegentür vor der Küche und trat dann dagegen, um zu verhindern, dass sie zurückschwang, und ich tat dasselbe für Toby.
    Allerdings rief in dem Moment Charlotte auch schon: »Bye, Toby!«
    Er fing die Fliegentür mit einer Hand ab und schloss sie sanfter, als sie von allein zugefallen wäre. Durch das dünne Glas sah ich, wie er sich die langen Ponysträhnen aus dem Gesicht blies, bevor er sich umdrehte und wegging.
    In jener Nacht machte ich mir im Bett immer noch Gedanken darüber, was an unserem Dogon-Muster falsch gewesen war. Es war sicher kein gutes Zeichen, dass Phil sich geweigert hatte, auf eins von Charlottes optimistischen Symbolen zu tapsen. Vielleicht hätten wir statt eines der beängstigenden Zeichen, über die ich nachgedacht hatte, einen Vogel aufnehmen sollen. Ein Vogel, der wegflog – das wäre ein nettes Symbol gewesen.
    Die Idee hatte ich aus einem von Charlottes schwarzen Büchern – aus einem von denen, über die wir fast nie redeten. Es hieß Die Suche nach der Seele . Charlotte hatte mir einmal erklärt, dass es schrecklich langweilig sei und gar nichts mit der Suche nach Seelen zu tun habe. Es handele nur davon, was die Seele wäre, was Charlotte für eine ziemlich blöde Frage hielt. Schließlich wisse doch jeder, was eine Seele sei! Das ganze Buch drehe sich um Philosophen, die fragten, ob die Seele denke oder fühle und ob das Universum eine Seele habe,und alle möglichen komischen Fragen stellten, die das Thema viel komplizierter machten, als es eigentlich sein müsse.
    Damals hatte ich das Gefühl gehabt, dass Charlotte das Buch nie richtig gelesen hatte, deshalb sah ich selbst mal hinein. Weit war ich nicht gekommen: Ich blieb schon auf der Seite hängen, auf der es hieß, eine Seele sei wie ein Vogel, der aus dem Körper herausfliegt. Auf dieser Seite war ein echt cooles Bild zu sehen gewesen. Es zeigte einen ägyptischen Vogel mit einem Frauenkopf, der die Seele symbolisieren sollte. Aber ein paar Seiten später folgte eine Zeichnung von Azteken mit nackten Oberkörpern, denen auf einem Altar die Eingeweide herausgerissen wurden. Unter dem Bild stand, dass ihrem Glauben zufolge die geopferten Männerseelen zu Adlern würden, die dann die Sonne bewachten. Ich hatte das Buch auf der Stelle zugeschlagen. Und das lag nicht bloß an dem vielen Blut auf dem Bild,

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