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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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erzählt«, flüsterte Charlotte und griff unter ihr Kissen.
    Mein Herz überschlug sich beinah, als sie die Hand wieder unter dem fliederfarbenen Bezug hervorholte, und ich war erleichtert darüber, dass sie bloß ein gebogenes rosa Plastikding in den Fingern hielt. Für einen Moment hatte ich befürchtet, es würde etwas wie ein mit Nägeln durchbohrtes Schafsherz sein.
    »Das ist Rose’ Bananenspange«, verriet sie.
    »Wo hast du die denn her?«
    »Sie hat sie bei uns im Bad vergessen.«
    »Wann?«
    »Ungefähr eine Woche vor ihrem Verschwinden. Ich habe sie neben dem Waschbecken gefunden.«
    Mir gefiel nicht, wie genüsslich Charlotte »Verschwinden« aussprach – fast so, als wären wir in einem Film.
    »Warum hast du ihr die nicht wiedergegeben?«, wollte ich wissen.
    Sie verdrehte die Augen. »Wir haben doch Glück, dass wir die haben!«
    »Du meinst, wir lesen die Haarspange?«
    »Na ja, das habe ich schon versucht. Sie liegt bereits seit ein paar Tagen unter meinem Kissen.«
    »Und? Hat sie dir irgendwas verraten?«
    »Nein, ich glaube nicht. Ich hatte in der Zeit nur einen Traum, an den ich mich erinnern kann, und in dem ging es um meine überfälligen Bücher aus der Bücherei.«
    »Aha.«
    Charlotte schob mir die Spange hin. »Ich denke nicht, dass die mir was verrät. Vielleicht geht es bei dir besser.«
    Ich wollte noch schnell den letzten Bissen genießen, bevor ich antwortete. »Du willst, dass ich auf dem Ding schlafe?«
    »Zuerst mal fangen wir damit an, dass du versuchst, sie zu lesen, wenn du wach bist.«
    Ich starrte auf die Bananenspange. Ich mochte keine Bananendutts. Mit denen sah man immer aus, als hätte man einen verrutschten Irokesenschnitt. Und ich konnte mich auch nicht erinnern, Rose jemals mit einer solchen Frisur gesehen zu haben.
    »Wie geht das?«
    »Ich glaube, du empfängst die Botschaft, wenn du sie berührst. Also nimm sie einfach in die Hand. Und mach am besten die Augen zu!«
    Misstrauisch betrachtete ich die pinken Zähne der Spange. Die Vorstellung, wie sie Rose’ schmutzig blondes Haar zusammenhielt, ließ mich die Spange zur Seite werfen.
    »Das ist blöd«, behauptete ich.
    »Ist es nicht.«
    »Doch, ist es wohl! Rose hat diese Spange verloren, bevor sie verschwunden ist. Sie war doch schon bei euch im Badezimmer, bevor Rose vermisst wurde, stimmt’s? Dann kann sie ja gar nicht wissen, was mit Rose passiert ist.«
    »Die Spange weiß sowieso gar nichts!«, erklärte Charlotte verärgert. »Keiner hat gesagt, dass die Spange was weiß. Die kann doch nicht denken! Aber sie hat Rose gehört, und wenn man sie liest, also sie anfasst, fühlt man, was mit Rose passiert ist.«
    Ich war nach wie vor skeptisch. »Wieso habe ich die nie an ihr gesehen?«
    Charlotte zuckte mit den Schultern. »Du warst ja nicht jedes Mal hier, wenn sie hier war. Als meine Eltern Hochzeitstag hatten, warst du zum Beispiel nicht bei uns.«
    Ich wandte den Blick von der Spange ab, denn dieses grelle Pink war scheußlich, davon wurde mir beinah schlecht. Außerdem hatte ich den Verdacht, dass Charlotte mich reinlegen wollte, indem sie mich dazu brachte, ihr vorzugaukeln, ich bekäme irgendwelche Botschaften von einer dämlichen Bananenspange – die sie womöglich sogar aus ihrer eigenen Schmucktruhe gefischt hatte. Dann könnte sie mich als Schwindlerin hinstellen und auslachen.
    »Ich glaube nicht, dass das ihre ist«, beharrte ich auf meiner Meinung.
    »Meinetwegen, aber ich weiß, dass sie ihr gehört hat. Und ich denke, dass wir alles versuchen müssen, um sie zu finden. Auch wenn es sich blöd anhört.«
    Nun war ich wieder die Böse, die, der Rose scheinbar egal war, obwohl sie gerade mir nicht egal sein sollte. Schließlich war ich diejenige, der sie verloren gegangen war.
    Am Ende gab ich wieder einmal nach. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Teppich und ließ mir die Spange in die Hände legen. Ungefähr eine Viertelstunde lang befühlte ich die Spange, erzählte ihr, dass ich mir Rose vorm Spiegel vorstellte, wie sie sich frisierte, ihren Hinterkopf mit einem Taschenspiegel kontrollierte, die Spange wieder rausnahm und noch mal von vorn anfing.
    »Es gibt jemanden, für den sie unbedingt hübsch aussehen will«, flüsterte Charlotte. »Und es ist nicht Aaron, wette ich, sondern irgendein anderer. Schließlich hat sie ja einen neuen Freund gesucht, oder? Aber wer war das?«
    Vor Rose’ Verschwinden hatte ich den Eindruck gehabt, Charlotte wollte sie zu gern als Pauls Freundin sehen.

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