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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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nichts zu tun. Ich war daran gewöhnt, dass landläufige Moral für mich nicht galt, ich war größer. Die Zeiten waren eben so, das ist das einzige, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen kann. Es war logisch. Ich bin zwei Jahrzehnte lang mit falschen Pässen aus dem Land aus- und wieder eingereist – und habe im Ausland getötet. Ich habe nie in Schweden getötet. Ich weiß nicht, warum. Das eigene Nest beschmutzt man nicht, vielleicht war es das. Als ich es schließlich doch tat, wurde mir klar, warum ich es früher nicht getan hatte. Es kam irgendwie zu dicht heran. Früher hatte ich auf Distanz getötet. Mit einer arroganten kleinen Drehung des Handgelenks. Aber jetzt: Der Genuss verschwand, der Selbstekel kam. Ich bin im Vollbesitz meiner Geisteskraft, wenn ich in diesem Augenblick das Mittel schlucke, das man als Talliumsulfat identifizieren wird. Es dürfte schwer fallen, sich einen gesünderen, heilsameren, sinnvolleren Selbstmord vorzustellen. Holt sie aus ihren unwürdigen Gräbern und gebt ihnen – als den einzigen meiner Opfer – ein ehrenvolles Begräbnis. Sie liegen auf einem Acker zwischen Grönby und Sörby. Man sieht die Kirche zwischen den Bäumen. Ich erinnere mich nicht mehr, denn das Gift beginnt zu wirken, wie viele es sind. Aber holt sie heraus. Sie verdienen etwas Besseres. Und ich, ich verdiene etwas Schlechteres. Das Geld auf dem Nachttisch ist für meine Beerdigung. Begrabt mich tief. Ich verdiene die Hölle. Flammen schlagen am Fenster hoch. Jetzt klettern sie aufwärts, sie kleiden das Zimmer die Wärme die Hitze ich sehe ein Gesicht ein Gesicht aus Feuer es kommt ich sehe es dreht ringt frisst mich‹
    Jan-Olov Hultin saß still und massierte bedächtig seinen Nasenrücken. Das war starker Tobak, um in einem faden Klischee ein wenig Sicherheit zu finden. Er legte die Eulenbrille auf den Schreibtisch und sagte geradeheraus: »Wie echt kommt uns das vor?«
    Arto Söderstedt hörte auf, von einem Fuß auf den anderen zu treten, und fixierte seinen Chef. »Echt genug, um loszulegen«, sagte er.
    »Glaubst du wirklich, dass Ola Ragnarsson aus der Wollmar Yxkullsgata ein unbekannter internationaler Serienmörder ist?«
    »Das ist schwieriger. Es hat ein bisschen was Mystisches im Ton. Aber die Orte sind ganz und gar nicht mystisch.«
    »Ich nehme an, du hast Grönby und Sörby überprüft?«
    »Es sind zwei Dörfer, die ein paar Kilometer voneinander entfernt im südlichen Schonen liegen. Kommune Trelleborg. Die Kirche steht in Grönby, das eindeutig größer ist. Es war früher ein lebhaftes Zentrum mit Mühlen, Schmieden, Wagenmacherei und Töpferei. Sörby ist kleiner. Man kann es kaum ein Dorf nennen. Sörby besteht aus drei Höfen, weißgekalkten kleinen Häusern und gepflegten Gärten.«
    »Du kennst dein Schonen.«
    »Ich kenne meine Tatorte.«
    Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin nickte. Dann seufzte er laut, klopfte mit der Eulenbrille auf den Tisch und sagte: »Okay. Ich stelle aus jeder Vernehmungsgruppe einen frei. Paul und Sara. Du und Viggo, ihr widmet euch dem mystischen Ola Ragnarsson. Hört sich das gut an?«
    »Das hört sich sehr gut an«, sagte Arto Söderstedt und stapfte davon. Die leichten Wolken waren zurückgekehrt, um ihn ein Stückchen über dem Boden schweben zu lassen. Der gefallene Engel trat nicht länger Wasser.

12

    Der Kirchturm war kaum zu erkennen, wie er da zwischen den Baumwipfeln der kleinen Allee aufragte. Regenschauer klatschten den Leuten, die sich auf dem Lehmacker versammelt hatten, wie Ohrfeigen ins Gesicht, sie waren unberechenbar und kamen aus immer neuen Himmelsrichtungen. Die Menschen auf dem Acker waren viel zu dünn angezogen und nahezu schutzlos den immer neuen Böen ausgesetzt, und ihre Füße steckten bis über die Schuhe im Schlamm.
    Paul Hjelm blickte auf zu den regenschweren Wolken. Es war das Ursprungschaos des Wassers, dessen Zeuge er vor dem sprechenden Dunkel des Himmels wurde. Ein göttliches Gemurmel hinter Wasserkaskaden, ohne Ordnung, ohne Sinn, ohne Struktur, ohne Form – ein cholerischer Diskant gegen den dumpfen Bass des melancholischen Himmels.
    Er sah zu Sara Svenhagen hinunter, ein pudelnasses Wesen an seiner Seite. Ihr dicker Mantel machte zwar einen wärmeren Eindruck als sein verschlissenes Leinenjackett, sog dafür aber literweise Wasser auf. Sie sah schwer aus. Doppelt schwer.
    Ihre Blicke trafen sich. Es lag etwas Herbstliches darin. Sie wechselten ein schnelles Lächeln und sahen hinüber zu dem kleinen

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