Rosenrot
mehreren Monaten als Flüchtlinge in Schweden. Sind diese Anfragen nicht schon zuvor an uns gerichtet worden. Von der Flüchtlingsbehörde?«
»Wir haben ziemlich viele Flüchtlinge hier. Man befolgt standardisierte Protokolle. Man hat nicht die Zeit, so hartnäckig zu sein wie ich«, sagte Gunnar Nyberg.
»Wahrscheinlich nicht«, kicherte Mzwanele Tshekela. »Aber jetzt könnte es mehrere Stunden dauern. Da wollen Sie wohl nicht am Apparat bleiben?«
»Jetzt nicht mehr, wo ich endlich die richtige Person gefunden habe«, sagte Nyberg mit leicht einschmeichelndem Ton. »Ich habe alle Ihre Nummern. Und Sie haben meine. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das Material faxen könnten, sobald es Ihnen vorliegt.«
»Es sollte nicht mehr als ein paar Stunden dauern«, sagte Mzwanele Tshekela und legte auf.
Die drei im Zimmer blickten sich an. Allen lief der Schweiß. Die Luft war von Ausdünstungen gesättigt. Das Fax begann zu knarren. Nyberg schaute verwundert hin und dachte an einen Weltrekord in polizeilicher Effizienz.
»Das ist meins«, sagte Svenhagen aber. »Und es ist sicher nicht besonders erbaulich.«
Während das Fax drauflos knarrte, Blatt auf Blatt, sagte Chavez: »Skarlander.«
Nyberg hatte müde Ohren bekommen. »Und?« sagte er.
»Jetzt rollen Köpfe«, verdeutlichte Chavez.
Woraufhin Nyberg noch müdere Ohren bekam.
Chavez fuhr fort: »Skarlander persönlich ist Backlunds Kontaktmann bei Dazimus. Er selbst hat den schwarzen Vertrag für die Reinigung abgeschlossen. Er hat dagesessen und uns schamlos angelogen. Das war ein bisschen unerwartet.«
Es wirkte wie eine Ohrenspülung. Ein richtiges Labsal für die Ohren.
»Das kann man wohl sagen«, sagte Nyberg, jetzt hellwach. »Der Informationschef höchstpersönlich verantwortlich für die Schwarzarbeit. Das schlägt dem Fass den Boden aus.«
»Er hatte vielleicht nicht genug, worüber er informieren konnte«, sagte Svenhagen und befingerte den Papierstapel, der neben dem Faxgerät zu erstaunlicher Höhe anwuchs. »Es ist vielleicht nicht seine einzige Aufgabe. Wenn die Firma forschungsintensiv ist, dann ist viel Geheimniskrämerei im Spiel. Eine undichte Stelle kann die Forschungsarbeit von Jahren zunichte machen. Und man kann sich auch keinen Informationschef leisten, der den ganzen Tag nur dasitzt und Däumchen dreht.«
»Ja, schon«, entgegnete ihr Gatte. »Aber von da bis zum Reinigungsvertrag auf dem Schwarzarbeitsmarkt...«
»Vielleicht ist der Schritt gar nicht so groß«, sagte Nyberg. »Es geht darum, die Verbreitung von Desinformation zu kontrollieren. Die Spinne im Netz.«
»Was ist denn das für ein Müll?« fragte Chavez und zeigte auf den unablässig wachsenden Papierhaufen.
»Etwas, was ich von Kerstin übernommen habe«, sagte Svenhagen. »Probenergebnisse von Afrikanern und Polizisten in Flemingsberg. Sehr detailliert.«
»Herrgott«, ächzte Chavez. »Die neuen Vorschriften.«
»Unterziehe alle in deiner unmittelbaren Nähe einem Drogentest«, sagte Nyberg. »Zur eigenen Sicherheit.«
»Wo ist Kerstin denn?« fragte Jorge.
»Unterwegs«, sagte Sara und zuckte mit den Schultern.
»Alle sind unterwegs, nur ich nicht. Es handelt sich offenbar um eine Schutzmaßnahme für mich. Schützt die arme Schwangere. Damit sie sich nicht überanstrengt. Ihr Mann klagt ja schon darüber, dass das Aufbewahrungsgefäß seines Kindes zwischen Leichenwürmern im schonischen Schlamm umherwaten musste.«
»Puh«, sagte Jorge. »Davon hör ich zu Hause schon genug. Gunnar, was hältst du von einer rachelüsternen kleinen Spritztour zu Dazimus Pharma AB?«
»Tja«, sagte Gunnar Nyberg, während sein Blick unschlüssig zwischen den Eheleuten hin und her wechselte. »Wenn du uns nicht brauchst, Sara?«
»Ich brauche eure Abwesenheit«, sagte Sara. Und bekam sie.
Zeit verging. Sie saß in dem brütendheißen Zimmer wie in einem Gewächshaus. Vegetierte. Wuchs. Streichelte leicht ihren immer runder werdenden Bauch. Gestand sich selbst, dass sie eigentlich nicht besonders viel zu meckern hatte. Akzeptierte, dass sie dies gewollt hatte. Die Wölbung des Bauchs. Sie sehnte sich schon danach, dass es strampelte. Sie lebte in einem kleinen Gewächshaus der Versöhnung. Und es wuchs in ihr. Wie ein Samenkorn in der Mutter Erde. Sie fühlte sich wie ein Teil der Natur, ganz einfach. Eine absolute Einfachheit. Sie hatte es sich verdient nach der entsetzlichen, aber wichtigen Zeit bei der Abteilung für Pädophilie. Sie hatte ihren Frieden
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