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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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nachdrücklich. »Definitiv
nicht. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Hören Sie …«, er warf einen
schnellen Blick auf die Uhr, »… Kirchbichler litt an einer reaktiven
Erschöpfungsdepression. Das ist …«
    »Jaja, schon klar. Zurückzuführen auf seinen nachlassenden Erfolg im
Alter …« Chili war in ihrem Element.
    »Genau. Ich hab ihm Fluopram verschrieben. Wenn er es regelmäßig
einnahm, konnte er sich damit stützen. Es ging ihm dann gut. Den Rest
überspielte er. Er war ja schließlich in der Showbranche tätig. Nennen Sie mir
einen dieser Showbiz-Menschen, der damit noch nicht zu tun hatte.«
    »Aber Kirchbichler muss ja eine gewaltige Überdosis genommen haben.«
    Dr. Vach breitete die Arme mit nach oben gewandten Handflächen aus
und zuckte die Schultern.
    Fast gleichzeitig standen alle drei auf.
    »Ja freilich dürfen Sie die Kamera mitnehmen«, sagte Vach ungefragt.
Der weiße Mantel spannte über der Bauchgegend. »Sie ist ja bei der Polizei in
besten Händen.« Ein heftiger Lachanfall ließ die große Gestalt erzittern.
    Sie waren fast schon an der Tür, da holte sie die Stimme des Arztes
noch einmal zurück. »Ach ja, eines wollte ich Ihnen noch mitgeben. Niki
Kirchbichler wäre viel zu feige gewesen, sich selbst etwas anzutun. Er war ein
Hypochonder. Schon allein eine Treppe abwärtszugehen hielt er für
lebensgefährlich. Er nahm immer den Aufzug. Und – er liebte das Leben.«
    Ottakring nahm sich vor, bei diesem Arzt vorbeizuschauen, sollte ihm
einmal etwas fehlen.
    Trotz des immer dichter werdenden Schneetreibens war
Ottakring auf seinem Fahrrad in nur drei Minuten an der Direktion. Zu seinem
Erstaunen stellte er fest, dass es vor dem Gebäude keinen Fahrradständer gab.
Kam hier jeder mit Rolls Royce und Chauffeur? Er lehnte sein Radl an die grüne
Fassadenwand, ohne es abzuschließen. Rosenheim war eine sichere Stadt, und die
Polizei hatte eine herausragende Aufklärungsquote. Am anderen Tag sollte er
freilich feststellen, dass es im Innenhof doch einen Fahrradständer gab.
    Drinnen war ein Kommen und Gehen. In einer Dienststelle wie dieser
mit ihren rund neunhundert Beamten und Zivilangestellten kehrte niemals Ruhe
ein. An der Infotafel im Erdgeschoss stieß er auf Direktor Schuster.
    »Herr Ottakring, ich hab Sie wie eine Stecknadel gesucht. Haben Sie
schon gelesen?« Er hielt ihm die Titelseite der Bild-Zeitung hin.
    »Starb Musikstar Kirchbichler eines natürlichen Todes?« las
Ottakring. Er erkannte die Sorge in Schusters Miene. »Kommen Sie, gehen wir in
mein Büro«, schlug Ottakring vor. »Ich hab Ihnen etwas zu berichten.«
    Eine Minute später saß er in seinem Stuhl und nagelte Schuster mit
seinem Blick fest. Der Polizeidirektor war mit weiteren sechzehn Dienststellen
für die Sicherheit von vierhunderttausend Menschen im Rosenheimer Land
verantwortlich. Er wirkte sichtlich älter als Ottakring, obwohl sie nur zwei
Lebensjahre trennten. Klug, erfahren, selbst mit allen Feinheiten
kriminalistischer Ermittlung vertraut. Mit der Aufklärung von Verbrechen hatte
er als Polizeichef direkt nichts mehr zu tun.
    Das war Ottakrings Aufgabe, der in diesem Moment das Porträtfoto des
toten Niki Kirchbichler mit zwei Fingern über den Tisch schob. »Aufgenommen von
Dr. Vach, der den Totenschein ausgestellt hat. Er war Kirchbichlers Hausarzt.
Einen Selbstmord hält er für ausgeschlossen. Aber wieso, zum Teufel, hatte der
eine so immens hohe Dosis Fluopram im Körper?« Er schlug mit der flachen Hand
auf das Fax, das auf dem Schreibtisch lag.
    »Fluopram?«
    »Ein Antidepressivum.«
    »Kann es versehentlich passiert sein? Soweit ich weiß, sind das
Tabletten. Kann er sich vertan haben oder etwas verwechselt und anstatt, sagen
wir, drei Tabletten zehn geschluckt haben? Ich hab eine Bemerkung von Frau
Toledo aufgeschnappt, wonach Sie mit ihm befreundet waren?«, sagte Schuster.
    Ottakring machte ein Gesicht, als hätte er eine Überdosis Senf
geschluckt. »Wir haben uns über dreißig Jahre nicht mehr gesehen. Und davor
sechs Jahre lang nie gemocht. Wenn Sie also annehmen, ich wüsste mehr über ihn
als Sie, irren Sie.« Er empfand einen grenzenlosen Heißhunger auf eine
Zigarette, stand auf und ging mit kleinen Schritten auf und ab. »Ich sehe drei
Möglichkeiten. Er nimmt absichtlich eine zu hohe Menge ein. Vach verwirft diese
Option. Zweitens ein Versehen. Aber wie hätte das gehen sollen, zehn Tabletten
aus Versehen zu schlucken? Also bleibt nur Version drei. Jemand anders

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