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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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schwacher
Duft sich mit Bienenwachsgeruch vermischte. Ohne besondere Absicht schaute er
in den Spiegel. Gewelltes, mittellanges Haar, schmale Augenschlitze, dicke
Tränensäcke, bläuliche Schatten auf den Wangen – er fand, er sah aus wie
der frühe Leo Kirch, der sich einen Schnurrbart angemalt hat.
    »Herr Speckbacher? Ja, er ist im Haus«, sagte der Rezeptionist mit
melodischer Stimme. Heute trug er eine Fliege mit silbernen Sternchen. Seine
Stirn kräuselte sich, als ob die Verbindung schlecht sei. Er telefonierte
gerade.
    Ottakring war überzeugt, dass heutzutage jedermann unter vierzig in
einem fort zu telefonieren hatte.
    »Moment, er wird gleich da sein.« Gefällig legte der Mitarbeiter
einen Finger an die Nase. »Möchten Sie so lange etwas zu trinken haben, Herr
Kommissar?«
    Verdammt, Junge. Nein. Aber wenn du wüsstest, wie sehr ich mir was
zu rauchen wünsche. Er nahm in der Empfangsecke in einem schwarzen Ledersessel
mit Chromfüßen Platz und wartete auf Speckbacher.
    Wenige Tage nach Niki Kirchbichlers Tod hatte sich das Hotel stetig
geleert. Wilde Gerüchte kursierten unter den Gästen. Es war, als wäre einer in
seinem Bett verstorben. Nun aber schien das Haus für einen Moment wieder zum
Leben zu erwachen. Eine Brünette mit breitem, weiß glänzendem Lachen prüfte
neben Ottakring den Zustand ihres Make-ups im Spiegel. Sie war mindestens einen
Kopf kleiner als er und vom Hals bis zu den Oberschenkeln in ein eng
anliegendes scharlachrotes Trikot gezwängt. Blauschwarz lackierte Zehennägel
kamen in scharlachroten Sandalen zum Vorschein. Mit einem süßen Lächeln wandte
sie sich an Ottakring. »Ich platze gleich. Wo ist hier die Toilette?« Dabei zog
sie die hochgeschobene Sonnenbrille aus ihren Haaren.
    Hinter der Drehtür wurde es voll und laut. Ein Bus schien
eingetroffen zu sein. Frauen in Pelzmänteln, kräftige, übermäßig gebräunte und
mit Schmuck behängte Männer in teuren Skiklamotten statteten dem Hotel einen
Besuch ab. Sie plapperten in fröhlichem, lautem Norddeutsch mit ein paar
hessischen Brocken dazwischen aufeinander ein. Wo-ist-die-Bar-Rufe übertönten
alles andere. Ein wenig später, als zwei Dunkelhäutige anfingen, die Taschen,
Koffer und deren Besitzer auf die Zimmer zu bringen, kehrte endlich wieder Ruhe
ein.
    Diese künstliche Fröhlichkeit, sinnierte Ottakring, das Protzen und
die Angeberei dieser Leute widersprachen der hiesigen Mentalität. Auch die
zahlreichen wohlhabenden Familien im Rosenheimer Land und im Chiemgau konnten
so richtig die Sau rauslassen, wenn sie wollten. Ohne mit der Wimper zu zucken.
Aber die zeigen ihren Reichtum nicht. Sie bewohnen ein Reihenhaus, besitzen
aber eine Prachtvilla am Gardasee. Sie fahren einen VW Golf und parken ihren Ferrari in Salzburg. Gondeln mit einem Schiffchen über
den Chiemsee und mieten eine Fünfzigmeteryacht in der Ägäis. Ihre Frauen und
Töchter shoppen nicht in Rosenheim. Das wäre viel zu auffällig. Da könnte die
Geschäftswelt mitbekommen, dass man Geld hat. Sie verstecken sich dazu lieber
in München oder Mailand. Ihre bevorzugten Gegenden – aus reiner
Bescheidenheit selbstverständlich – sind der Gardasee, St. Moritz und
Südafrika. Mit ihrem Reichtum vor ihrer Haustür beim Voglwirt herumzuprahlen,
käme für sie nie in Frage.
    »Bitte schön, Herr Kriminalrat.«
    Ottakring fuhr auf. Ihm war nicht klar, ob er in Gedanken weit weg
gewesen oder schlichtweg eingenickt war oder beides. Ganz wie sein Hund fand der
Kriminalrat augenblicklich wieder in die Realität zurück.
    Robert Speckbacher stand vor ihm. Offensichtlich verfügte er
ausschließlich über farblose Trachtenanzüge, die schon zu seines Vaters Zeiten
nicht mehr der letzte Schrei gewesen waren.
    »Herr Speckbacher«, sagte Ottakring. »Ich würde mir gern noch mal
die Saunazone anschauen. Wollen Sie mich begleiten? Ach ja, und den Franz hätte
ich auch gern gesprochen.«
    »Der hat heute seinen freien Tag.«
    »Frau Silbernagl hat sich bei Ihrem Angestellten an der Rezeption
nach Herrn Kirchbichler erkundigt. Das war an dessen Todestag zwischen halb
sieben und sieben. Kurz bevor er in die Sauna ging. Eine Stunde, bevor er
gestorben ist. Was meinen Sie, warum hat sie wohl nach ihm gefragt?«
    Speckbacher hüstelte. Er bewegte seinen Oberkörper hin und her, als
ob ihm die Frage unangenehm wäre. »Na ja, ob die zwei etwas miteinander gehabt
haben, das … das konnte man nicht genau sagen. Aber dass die Catrin
zwischendurch nach ihm gesucht

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