Rosentod: Thriller (German Edition)
Weg.
Selbstverständlich, ohne Koschinsky davon zu informieren.
Eine halbe Stunde später.
Dort, wo der Asphalt der Seegrabenstraße endet und die sanft ansteigende Straße steiler bergan führt, schlug einmal das schwarze Herz der Stadt.
Schutzengelschacht, Richardschacht und Wartingbergschacht waren der Stolz eines Reviers, das Tausende von Menschen ernährte und sich von den Nordausläufern des Hochschwabs bis unter den Stadtkern vorschob. Hier war der Bergbau schon in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zugrunde gegangen, ehe 20 Jahre später auch die Schächte am Münzenberg dicht machten. Ein Drama, das der Stadt beinahe das Genick brach.
Das Haus, nach dem sie suchen, steht in Sichtweite zu den Tennisplätzen und schmiegt sich rechter Hand an die Ausläufer eines Jungwalds. Es ist sehr groß, mit hellgelber Fassade, weißen Fenstern und einem Edelstahlzaun. Vor dem Anwesen ein silbergrauer Mercedes. Joe geht an den Zaun und läutet.
Nichts rührt sich.
Vorsichtig klettern die beiden Fahnder auf das Grundstück. Ulla umrundet das Gebäude, späht durch die Fenster und klopft. Nichts zu hören, nichts zu sehen. Inzwischen läutet Joe an der Haustür. Ohne Erfolg.
So ein Mist. Was tun? Die nächsten Bauten sind ungefähr 20 Meter entfernt. Sie werden dort einmal nachfragen.
Das wiederum gestaltet sich heikler als gedacht. Die Leute sind misstrauisch. Die wollen in nichts hineingezogen werden, aber Ulla gelingt es doch noch, das eine oder andere aus ihnen herauszulocken.
„Wie ist er denn, Ihr Nachbar? Sagen Sie es mir. Bleibt unter uns. Versprochen.“
„Max Paulik? Ein ruhiger, angenehmer Mensch. Der Bursche sieht gut aus, ist freundlich und nett. Behindert halt. Was das Sprechen anbelangt. Wahrscheinlich ist er deshalb so schüchtern. Dass der Mercedes vor dem Haus parkt, besagt nichts. Max darf ja auch die Firmenautos seines Vaters benützen. Verschiedenste Fabrikate. Ansonsten gibt es nicht allzu viel über ihn zu sagen.“
„Seine Eltern?“
„Die gehören zur Guten Gesellschaft. Sie besuchen ihn nie.“
Mehr ist nicht zu erfahren. Die Leute kennen den jungen Paulik ja kaum.
Unverrichteter Dinge steigen Ulla und Joe wieder in den Dienstwagen, fahren auf der abschüssigen Straße zur alten Bergbaudirektion, stellen sich mit ihrem blauen Ford in die verlassene Einfahrt und warten. Ist der Verdächtige zu Hause und markiert den Toten Mann, wird er mit seinem Mercedes hier vorbeidüsen. Früher oder später.
Mittlerweile verlässt Max Paulik den Fensterplatz im Obergeschoss, eilt in den Keller, holt zwei Reisetaschen aus einem Vorratskasten und packt. Im Schlafzimmer zieht er sich einen grauen Anzug, ein weißes Hemd und eine rot-weiß gestreifte Krawatte über. Danach öffnet er den Wandtresor und verstaut den Reisepass und ein paar Packen Banknoten in einer der Taschen. Schnell noch eine schwarze Jacke hineingestopft und den dunklen Mantel bereitgelegt. Mehr Gepäck würde ihn nur belasten. Zehn Minuten später kommt sein Taxi.
Zu diesem Zeitpunkt läutet 500 Meter weiter gerade Ullas Telefon. Koschinsky ist dran. „Der Jeep, von dem unsere Reifenspur stammt, gehört der Firma Raumdesign exklusiv, mit Sitz in Leoben, Brucker Straße 331“, berichtet er. „Besitzer ist ein gewisser Werner Paulik, der unter anderem für die Möblierung der Polizeiinspektion Innere Stadt verantwortlich zeichnet. Bei der Eröffnung der neuen Dienststelle waren neben dem Oberbürgermeister und dem üblichen Politikertross auch der Baumeister und der Innenarchitekt geladen. Paulik ist in Begleitung seines Sohns erschienen. Die Ehrengäste hatten zu allen Räumlichkeiten Zugang. Auch zum Waffenraum. Wobei sie zwar von Kollegen begleitet wurden, aber die hatten ihre Augen ja auch nicht überall.“
„Hinter Paulik sind wir schon seit einer Stunde her“, unterbricht ihn Ulla. „Er ist nicht zu Hause.“
„So? Ihr seid schon dort?“ Man hört Koschinskys Stimme deutlich an, wie sauer er ist. „Jedenfalls ist die Fahndung nach Paulik bereits eingeleitet, und der Staatsanwalt weiß Bescheid. Der Hausdurchsuchungsbefehl muss jeden Augenblick im Kommissariat eintreffen. Ihr beobachtet also das Haus und wartet ab. Das Sondereinsatzkommando ist in einer Viertelstunde vor Ort.“
„Verstanden“, sagt die Chefinspektorin und legt auf.
„Unser Student hat die Handschellen bei der Dienststelleneröffnung gestohlen“, murmelt Ulla kopfschüttelnd. „So einfach ist das. So erschreckend simpel. Die
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