Rosentod: Thriller (German Edition)
ein Glas Wasser.
Es ist sehr still im Haus. Vor dem Fenster Nebelfetzen. Geisterhaft.
Schaudernd läuft sie zurück ins Schlafzimmer. Das Bett so weich und die Decke so warm. Aufatmend schmiegt sie sich an Joes nackten Rücken. Früher oder später wird Max Paulik gefasst werden. Das ist dann auch ihr Verdienst. Damit wäre ihr erster Mordfall geklärt und ihre Duftmarke gesetzt.
Ulla hätte allen Grund dazu, mit sich zufrieden zu sein.
Warum zum Teufel ist sie es nicht?
„Es ist noch nicht vorbei“, murmelt sie.
Irgendetwas in ihr warnt sie davor, sich jetzt schon allzu sicher zu fühlen.
***
Ein trüber, vorerst noch trockener Morgen.
Es riecht nach Joe. Immer noch.
Im Badezimmer so viel mehr Wärme als sonst. Ulla drehte die Heizung an, damit sich ihr Liebster nur ja nicht erkältet.
Und Maringer? Der hat die Morgentoilette schon hinter sich gebracht und macht jetzt Frühstück.
Wie wenig der Mensch eigentlich braucht, um glücklich zu sein, überlegt die Chefinspektorin, zieht den Bademantel aus, cremt ihre Haut ein, trägt neues Parfum auf und wirft dabei ab und zu einen Blick in den Spiegel. Und wie soll sie es anstellen, damit das flüchtige Glück nicht gleich wieder auf und davon fliegt?
Als sie vor dem Kleiderkasten steht, entscheidet sie sich für schweres Geschütz. Schwarze, knappe Spitzenunterwäsche, ein sehr kurzes grünes Wollkleid, schwarze Strümpfe und eher flaches, aber interessant geschnittenes italienisches Schuhwerk. Angriffslustig hebt Ulla das Kinn, spitzt die Lippen und sucht nach ihrem Lippenstift. Volle Kriegsbemalung. Mal sehen, wie ihr Kollege auf diesen Angriff reagiert.
Joe fallen fast die Augen aus dem Kopf, als sie sich ihm gegenüber zu Tisch setzt.
Das gilt auch für den Journalbeamten, bei dem Ulla eine Stunde später antanzt. Sie registriert es mit einem coolen Lächeln und studiert vorerst einmal die Berichte der Nachtstreifen, während ihr Mitarbeiter immer noch nach Atem ringt. Um halb neun erwartet Nüssler sie in seinem Büro. Joe sitzt auch schon dort.
Ein hilfloses Seufzen, verbunden mit ratlosem Stirnrunzeln und Hochziehen der Augenbrauen. Nüssler hat sich schnell im Griff, erhebt sich und spaziert erst einmal ans Fenster. Was man ihrer Meinung nach in Sachen Röhm jetzt noch tun könne, fragt er, zieht einen Glimmstängel aus seinem Zigarettenetui, registriert Ullas missbilligenden Blick und steckt die Marlboro wieder weg.
„Zunächst einmal Judith Amras weiter bewachen“, schlägt Ulla selbstbewusst vor. „Danach die Studienkollegen und Professoren Pauliks befragen und mit seinen Eltern ein Protokoll aufnehmen. Womöglich bekommt man dabei einen Tipp zum Aufenthaltsort des Gesuchten. Mehr ist unter den gegebenen Umständen derzeit nicht drin.“
Nüssler ist einverstanden. Zufrieden ist er nicht.
„Der Staatsanwalt wünscht einen ausführlichen Bericht“, sagt er. „Kümmert euch darum. Seit Jahresbeginn verschwanden acht Frauen im Bundesgebiet. Prüft nach, ob es Indizien dafür gibt, dass Paulik mit einem dieser Vorfälle im Zusammenhang steht.“
Ulla und Joe nicken.
Es folgt der Spruch des Tages.
Eine inzwischen gewohnte Prozedur.
***
Das Bett ist eine Spur zu hart, findet der Mann, nach dem jetzt alle suchen, und auch sonst ist sein Ausweichquartier ganz und gar nicht das Gelbe vom Ei.
Ein Provisorium eben.
Wenn er sein Ding hier gedreht hat, verzieht er sich nach Uruguay. Dort hat sein Vater ein feines Anwesen. Das Finanzamt weiß nichts davon. Sonst auch niemand.
Hunger. Das ausgezeichnete Frühstücksbuffet im nahen Restaurant Brücklwirt bringt seine Lebensgeister wieder in Schwung. Ein Flirt mit der jungen Kellnerin. Der ist das sichtlich angenehm. Er sollte sie ansprechen, überlegt er. Schließlich stottert er ja nicht ständig. Bloß dann, wenn er aufgeregt ist. Unglücklicherweise ist er das bei Frauen eigentlich immer.
Was bringen schon Klugheit, ein sportlicher Körper, oder ein attraktives Gesicht? Ohne Sprache bist du gar nichts. Da gibt es keine Gnade. In der Gnadenlosigkeit sind Frauen übrigens wesentlich konsequenter als Männer. Eine erschreckende Erfahrung. Seine Mutter ließ ihn schon als Kind spüren, dass er nicht ihren Erwartungen entsprach. Bei seinem Vater kam das erst viel später. Eine Zeit lang schlug ihn die Mutter sogar wegen seines Stotterns. Als das nichts nützte, schleppte sie ihn von Spezialisten zu Spezialisten. Zu Logopäden, Psychologen, Neurologen, Psychiatern. Kostete ganz schön viel
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